Unterhaltung Matt ist, wenn der Schiri pfeift Der „Mann in Schwarz“ beim 15. Crailsheimer Schach Open
14.05.2009 - An Pfingsten, genauer vom 29. Mai bis 01. Juni, ist es wieder soweit, an die 200 Schachspieler versuchen in der Crailsheimer Karlsberghalle, im königlichen Spiel ihren Gegner matt zu setzen. Obwohl das Schachspiel in seinen Möglichkeiten schier unerschöpflich ist, sind die dazu gehörenden Spielregeln relativ einfach. Und dennoch – ohne Schiedsrichter kann und darf kein offizielles Schachturnier wie das Crailsheimer Open stattfinden. Aber welche Aufgaben hat ein Schach-Schiedsrichter eigentlich?
Ein Schach-Schiedsrichter achtet auf striktes Einhalten der Schachregeln, wie sie vom Weltschachverband FIDE festgelegt sind sowie auf die jeweilige Turnierordnung. Er muss darüber hinaus dafür sorgen, dass durchgehend gute Spielbedingungen herrschen und dass die Spieler nicht gestört werden. Der Schach-Schiedsrichter kann bei Regelverstößen Spielern die Bedenkzeit kürzen, Partieverluste verhängen oder sie bei groben Verstößen sogar vom Turnier ausschließen. Er muss zudem darauf achten, dass sich Zuschauer nicht in laufende Partien einmischen. Falls nötig, darf der Schiedsrichter Störenfriede aus dem Turniersaal verweisen.
In Crailsheim gab es bei den bisher 14 Schach Open keine nennenswerten Streitfälle, und wenn es kleinere Unstimmigkeiten gab, meisterte sie der Schechinger Schiedsrichter Klaus Schumacher souverän. Schumacher kennt alle Paragraphen im umfangreichen Fide-Regelwerk und weiß um die Tricks, die in Turnieren schon versucht wurden.
Souverän, bestimmt und regelkundig – Turnierschiedsrichter Klaus Schumacher
Elektronische „Hilfsmittel“
Der Amateurspieler Clemens Allwermann (Bild) beispielsweise betrog 1998 beim Böblinger Open, indem er sich Züge mittels eines unter langen Haaren verborgenen Mini-Ohrhörers übermitteln ließ. Allwermann machte sich verdächtig, indem er in der letzten Runde dem Großmeister Sergej Kalinitschew ein für menschliche Spieler kaum nachvollziehbares Matt in acht Zügen ankündigte. Er gewann das Turnier und 1660 DM Preisgeld. Während ein Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft mangels Beweisen eingestellt wurde, verhängte der Bayerische Schachbund gegen Allwermann eine Sperre.
Ein weiterer Amateurspieler betrog 2002 bei einem Open, indem er auf der Toilette das Programm Pocket Fritz zur Analyse einer laufenden Partie benutzte. Der Schwindel flog auf, als der Schiedsrichter dem Verdacht nachging und über die Toilettenwand schaute.
Der indische Spieler Umakant Sharma (Bild), der seine Elo-Zahl (Internationale Wertungszahl) innerhalb von anderthalb Jahren von 1930 auf 2484 steigerte, wurde im Dezember 2006 vom indischen Schachverband für 10 Jahre gesperrt. Ihm wurde nachgewiesen, bei einem Turnier in Neu-Delhi unter einer Mütze einen Empfänger verborgen zu haben.
Der Fall der „Toiletgate-Affäre“ (scherzhaft nach der Watergate-Affäre benannt) ging im Jahr 2006 um die Welt, als beim WM-Match zwischen dem Russen Vladimir Kramnik und dem Bulgaren Veselin Topalov dessen Manager Kramnik der Softwareunterstützung bezichtigte. Er meinte, dass der Russe sich während der dritten Partie verdächtig oft auf der Toilette aufgehalten habe, um dort elektronische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Trotz der unhaltbaren Behauptung behielt Kramnik die Nerven und gewann den WM-Kampf.
Da die ständige Weiterentwicklung von Schachprogrammen für Handheld-Computer, Mobiltelefone und ähnliche Geräte anscheinend einen Anreiz darstellt, in Turnierpartien derartige Hilfsmittel zu nutzen, gibt es inzwischen ein allgemeines Handy-Verbot bei Schachturnieren.
Manipulation während einer Schachpartie
Während einer Partie werden gelegentlich regelwidrig Fehlzüge zurückgenommen. Dabei ergibt sich oft ein Beweisproblem, wenn der betreffende Spieler bestreitet, die Figur bereits losgelassen zu haben, und sich auf die J`adoube-Regel beruft: Diese besagt, dass ein Spieler ankündigen muss, wenn er eine Figur lediglich zurechtrücken will. Ist kein Schiedsrichter zugegen, steht dann meist Aussage gegen Aussage.
Der serbische Großmeister Milan Matulovic (Bild) spielte bei zwei Interzonentournieren, 1967 in Sousse und 1970 in Palma. Bei beiden Turnieren sorgte er für Negativschlagzeilen: In Sousse nahm er in seiner Partie gegen Istvan Bilek einen Fehlzug zurück, was ihm den Spitznamen Jadoubovic einbrachte. Ein Vierteljahrhundert (!) später bei der Senioren-Weltmeisterschaft 1995 manipulierte er nach Angaben des niederländischen Großmeisters Hans Ree in einer eigentlich bedeutungslosen Partie die Schachuhr, um einem Verlust durch Überschreiten der Bedenkzeit zu entgehen.
Auch der inzwischen vom Schachsport zurückgetretene weltbeste Spieler Garry Kasparov nahm in seiner in seiner Partie gegen Judit Polgar in Linares 1994 unberechtigterweise einen Zug zurück. Der Regelverstoß wurde erst nach Ende der Partie, die von Kasparov gewonnen wurde, durch eine Videoaufzeichnung zweifelsfrei belegt. Den Punkt durfte Kasparov aber behalten, da dieser Verstoß nicht rechtzeitig bemerkt wurde.
Die Crailsheimer Organisatoren sind sich allerdings sicher, dass auch das 15. Crailsheimer Open harmonisch über die Bühne gehen wird. Garant dafür werden ca. 200 faire Schachsportler und ein wie immer aufmerksamer Schiedsrichter Schumacher sein.
Zuschauer sind beim Crailsheimer Open herzlich willkommen, der Eintritt ist frei. Wer Lust hat, kann sich im Analyseraum selbst ans Schachbrett setzen oder sich an der Turnierbar verköstigen, wo mit etwas Glück auch der gut gelaunte Schiri bei einer Erfrischungspause und einem Pott Kaffee anzutreffen sein wird.