Chess Classic Chess Classic ein voller Erfolg Ein Blick zurück
22.08.2007 - Am Sonntag sind die 14. Chess Classic in Mainz zu Ende gegangen. Eine Woche lang haben über tausend Schachfans als Zuschauer die Weltklassespieler beobachtet oder in einem der vielen Veranstaltungen selbst ihr schachliches Können unter Beweis gestellt. Über 60 Helfer der Chess Tigers haben vor und vor allem hinter den Kulissen dazu beigetragen, dass eines der größten Schach-Festivals der Welt nahezu perfekt über die Bühne ging. Erst die vielen im Hintergrund tätigen Ameisen, die von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden, machen die Chess Classic jedes Jahr aufs Neue zu einer herausragenden Veranstaltung. Die Chess Tigers sind ein eingespieltes Team. Jeder meistert auf seiner Position professionell seine Aufgabe. Wie gut das funktioniert, merkt man erst, wenn man selbst Teil des Teams ist.
Eine starke Truppe: Die Chess Tigers
Das
erfolgsverwöhnte Event hat in seiner vierzehnten Auflage noch einmal alle
Rekorde gebrochen. Von Jahr zu Jahr genießt die Veranstaltung größeren
Zuspruch. Und man ist immer wieder verwundert, wie eine Steigerung der
Teilnehmerzahlen überhaupt noch möglich sein kann. Vermutlich kommen die
meisten Spieler, die einmal teilgenommen haben, immer wieder. Sie sind
beeindruckt von dem Standard dieses Turniers, der weltweit Aufmerksamkeit erregt.
Nicht von ungefähr fanden auch dieses Jahr wieder ein Dutzend Organisatoren
großer Turnieren den Weg nach Mainz, um zu sehen, wie die Chess Classic
präsentiert werden.
Während der
sieben Tage wurden Hunderte von Partien im Internet live übertragen. Die
Zuschauer vor Ort konnten im Foyer der Rheingoldhalle auf zahllosen Screens und
einer großen Leinwand die Spitzenpaarungen der Open und natürlich der weltmeisterlichen
Abendveranstaltungen verfolgen. Für den besseren Durchblick der Zuschauer
sorgten mit den Großmeistern Artur Jussupow, Klaus Bischoff, Fabian Döttling
und Daniel King diesmal gleich vier professionelle Kommentatoren. Zwei von
ihnen bedienten das Auditorium der Abendveranstaltungen via Kopfhörer, einer
präsentierte die Partien im Public Viewing-Bereich denjenigen, die sich gerne
unterhalten wollten. Ein exklusiver Service am Publikum, der seines Gleichen
vergeblich sucht.
Ein Mann, der weiß was er will: Chess Classic "Macher" Hans Walter Schmitt
Der vierte
Großmeister stand jeden Abend den Sponsoren im Gourmet Club Rede und Antwort.
Im Goldsaal des Hilton Hotels konnten die Geldgeber mit Familie, Kollegen und
Geschäftsfreunden in erstklassigem Ambiente neben Wein und kleinen Häppchen die
Partien der Spitzenspieler goutieren.
Die
vielen nationalen und internationalen Journalisten zeigten sich von den
Möglichkeiten des Presseraumes begeistert. Film-Reporter wie der Inder Vijay Kumar oder Peter Doggers von Chessvibes konnten ihre Filme nach
eigener Aussage so schnell übermitteln wie bei keinem anderen Schachevent auf
der Welt. Gerade solche Details schlagen sich schließlich auch auf eine gute
Berichterstattung nieder. Die Zunahme der Filmbeiträge ist ein echter Gewinn
fürs Schach, denn die Turnier-Atmosphäre lässt sich mit keinem anderen Medium
so gut einfangen. Doch diesen zunehmenden Anforderungen muss die Ausstattung
eines Presseraumes auch gerecht werden.
Veranstaltungen
Bester Stimmung: Die Spieler bei der Eröffnungs-Pressekonferenz
Die Chess
Classic sind ein riesen Event mit etlichen Einzelveranstaltungen, über die man
schnell den Überblick verliert. Am Montag starteten die Chess Classic mit der Eröffnungs-Pressekonferenz, bei der
sich die vier Spieler Vishy Anand, Levon Aronian, Etienne Bacrot und Rustam
Kasimdzhanov den Fragen der Journalisten stellten. Danach gab der
Wetlranglisten-Vierte Vassily Ivanchuk das traditionelle Simultan an 40 Brettern. Bei den Chess Classic scheint alles etwas
größer zu sein, denn gegen so viele Gegner wird gleichzeitig selten gespielt.
Ivanchuk, der in den letzten Monaten auf einer Welle des Erfolges schwimmt, wollte
unbedingt einen neuen Rekord aufstellen. Am Ende reichte es nur zu Platz drei
in der Ewigenrangliste, weil der Ukrainer in einer Partie einen „dummen Fehler“
machte, über den er sich im Nachhinein sehr ärgerte. Ivanchuk gab vier Remisen
ab und musste eine Niederlage hinnehmen. Nur Anand und Kasparow waren beim
Simultan der Chess Classic besser.
Nachwuchstalent: Anna Endress
Die nächsten
beiden Tage standen im Zeichen der Nachwuchsspieler. Mit dem 1. Mini-Ordix und dem 1. Mini-FiNet Open hatten die U14-Jährigen
im Rahmen der Chess Classic erstmals Gelegenheit, wie die Großen zu spielen.
Der ehemalige Weltklassespieler Artur Jussupow betreute das Turnier. Die
Jugendlichen und vor allem die Eltern konnten sich Tipps und Ratschläge zu
Übungsmethoden, Eröffnungen und Unterrichtsmaterialien im persönlichen Gespräch
mit einem der besten Trainer der Welt holen.
Der Zuspruch
der Turniere war sehr zufrieden stellend. Beim Mini-Ordix Open nahmen über
hundert Kinder teil, was für die erste Austragung ein gewaltiger Zuspruch ist. Am
Ende gab es zwei Überraschungssieger. Die beiden U12-Jährigen Konstantin Göbel
und Ramil
Babayev stahlen den älteren Kontrahenten die Show.
Im
einen Tag später stattfindenden Mini-FiNet Open dominierte die Lokalmatadorin
Anna Endress das Feld. Für ein Chess960 Turnier waren immer noch stattliche 36
Spieler am Start. Gewonnen haben alle Teilnehmer, denn jeder bekam einen Preis
und wird die Turniere zweifellos in guter Erinnerung behalten.
Chess960 König: Levon Aronian
Chess960, die
Schachvariante, in der vor jeder Partie die Stellung der Figuren auf der
Grundreihe ausgelost wird, erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Schon vor
etlichen Jahren plädierte der ehemalige amerikanische Weltmeister Bobby Fischer
für diese Spielart. Doch erst der Initiator der Chess Classic, Hans Walter
Schmitt, sorgte dafür, dass es von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen
wird. Das diesjährige Event wird zur weiteren Popularisierung beitragen.
Erstmals spielte nämlich der Weltranglistenerste Vishy Anand die FiNet Chess960 World Championship mit. Das
Viererturnier, das im Finale zwischen dem Inder und dem amtierenden
Chess960-Weltmeister Levon Aronian gipfelte, war ein voller Erfolg. Der
Zweikampf zwischen zwei der besten Spieler der Welt war vielleicht der
Höhepunkt der Chess Classic 2007. Die beiden lieferten sich einen mitreißenden
Fight, der nach vier Partien in einem Unentschieden endete. In der ersten
Partie ging der schnellste Spieler der Welt Anand über die Zeit. In Runde drei
stand er kurz vor dem aus und konnte eine fast hoffnungslose Stellung wie durch
ein Wunder retten. In der vierten Partie, vielleicht der besten des ganzen
Turniers, schlug er zurück. Erst nach zwei weiteren Blitzpartien stand der
Sieger fest: Levon Aronian hatte den indischen Tiger niedergerungen. Aber alle
vier Akteure zeigten eine ungewöhnlich kreatives Spiel, das im theorielastigen
Normalschach kaum zu sehen ist. In der vierten Final-Partie opferte Aronian mit
Schwarz schon im zweiten Zug einen Bauern und trieb nach einem Dameschach den
König von Anand im vierten Zug nach d2. Beim Chess960 darf man nicht zu spät
kommen, sonst hat man vielleicht schon die Highlights verpasst.
Das zeigte
auch wieder einmal das grandios besetzte FiNet
Open. Von den insgesamt 280 Teilnehmern (dank einer Nachmeldung, die in
unserer ersten Berichterstattung noch nicht berücksichtigt wurde) waren über
100 Titelträger, davon etwa 60 Großmeister. Die Rekordbeteiligung stellte auch
hinsichtlich der Stärke der Spitzenspieler neue Maßstäbe. Der Elo-Schnitt der
Top Ten lag weit über 2700 und war hinsichtlich der Qualität eines der
bestbesetzten Turniere des Jahres.
Viktor Bologan gewinnt die Chess960-Sieger-Torte
Die vielen
Weltklassespieler schenkten sich nichts und niemand blieb ohne Niederlage. Etwas
überraschend setzte sich am Ende Viktor Bologan durch. Der Moldawier ist als
Open- und Chess960-Spezialist bekannt und hätte vor einigen Jahren fast schon
einmal das Turnier gewonnen, wäre er nicht in der letzten Runde gescheitert. Die
Zuschauer verfolgten spektakuläre Niederlagen von Assen wie Bacrot (gegen
Ivanchuk) oder Mamedyarov (gegen Bologan), die in unter zehn Zügen verloren.
Der Turniersieger Bologan brachte im Interview kurz nach seinem Sieg den
Unterschied zwischen dem Klassischen Schach und Chess960 auf den Punkt: Im
Chess960 beginnt das Spiel bereits mit dem ersten Zug und nicht erst im
fünfundzwanzigsten. Und Unachtsamkeiten werden schon am Anfang gnadenlos
bestraft.
Publikumswirksames Computerschach
Die Livingston Computer World Championship
komplettierte die Werbung für Chess960. Normalerweise führen die Programmierer
mit ihren Computerturnieren ein Schattendasein. Anders bei den Chess Classic:
Mitten im Foyer stritten Shredder, Rybka, Jonny und Spike im selben Format wie
die menschlichen Akteure im Viererturnier um den Titel. Spitzenspieler und
Computerfans wie Aronian und Kamsky verfolgten die Partien. Ein Pulk von
Menschen umringte die kleine Bühne. Und was anderswo nicht möglich ist: Hier
kann man die Programmierer während der Partie fragen, was regelmäßig zu einer angeregten
Plauderei führte. Insbesondere die Begegnungen zwischen Shredder und Rybka
sorgten für viel Aufsehen. Die ersten beiden Partien endeten nach hartem Kampf
Remis. In der Zweiten opferte Rybka eine Figur für zwei Bauern und beide
Programme sahen sich klar im Vorteil. Umso länger die Partie dauerte, umso mehr
schwand der Vorteil bei beiden Programmen, bis schließlich beide eine
ausgeglichene Stellung anzeigten. Beide Engines lagen also voll daneben… Im
Finalmatch setzte sich die Favoritin Rybka (Rybka ist weiblich!), die eine
überraschende Auftaktniederlage gegen Spike kassierte, im Finale mit 2,5-0,5
gegen den amtierenden Chess960-Weltmeister Shredder durch. Shredders
Programmierer, Stefan Meyer-Kahlen, der am letzten Tag mit einer Erkältung zu
kämpfen hatte, fand schnell den Grund für seine Niederlage: „Wenn es mir nicht
gut geht, spielt auch Shredder schlecht.“ Ein Ausspruch, der die entspannte
Atmosphäre des Computer-Turniers wiedergibt. Vasik Rajlich, Programmierer von Rybka, sprach im
Nachhinein auf seiner Website hinsichtlich der Organisation des Computerevents
vom „Gold Standard“. Mit dem Chess960-Titel führt Rybka nun alle Weltranglisten
an.
Allen einen Schritt voraus: Vorzeitiger Ordix-Sieger David Navara
Nach den
Chess960 Turnieren standen die Veranstaltungen im klassischen Schnellschach auf
dem Programm. Das Ordix Open gilt
längst als das quantitativ und qualitativ beste Turnier der Welt. In diesem
Jahr hatte das riesige Open noch einmal einen sagenhaften Zuwachs von 140
Spielern zu verzeichnen, was 22% entspricht. Viele andere Turniere sind kleiner
als der Zuwachs des Ordix Opens. Alleine 200 Schachfreunde entschieden sich in
letzter Sekunde zur Anmeldung. Bis eine Viertelstunde vor Beginn konnte man
sich noch registrieren lassen. Das strapazierte selbst die erfahrene
Turnierleitung, die sonst für ihren rigiden Zeitplan bekannt ist. Doch selbst
diesen gewaltigen Andrang meisterten die Verantwortlichen mit nur geringer
Verspätung. Danach lief alles wieder reibungslos, was man sich kaum vorstellen
kann, wenn man bedenkt, wie viele Spieler vergessen, ihr Ergebnis zu melden. Fast
alle Teilnehmer zeigten sich beeindruckt von den hervorragenden
Spielbedingungen und der vorbildlichen Organisation. Am Schlusstag mussten alle
Ratingpreise diverser Spielklassen, der Jugend, Senioren und Frauen sowie die
Kombinationswertung vom FiNet und Ordix Open ermittelt werden. Schon zuvor
konnten sich die Teilnehmer in jeder Runde aktuell darüber unterrichten, auf
welchem Rang in ihrer Ratingklasse sie sich befanden. Es war ein Meisterstück
der Turnierleitung, die fast mit Leichtigkeit insgesamt 762 Teilnehmer zu
schultern wusste.
In der
Mittagspause präsentierte Michael Richter seine Partie gegen Gerald Hertneck,
die vom Publikum zur besten Leistung der Saison 2006/7 der Bundesliga gewählt
wurde. Auch das hat mittlerweile Tradition bei den Chess Classic.
Es ist die
einzigartige Atmosphäre, die jeden Teilnehmer dieses Opens fasziniert. In hautnahem
Kontakt mit der Weltelite im selben Turnier zu spielen, mit seinen Idolen
sprechen zu können und vielleicht sogar das Glück zu haben, selbst gegen einen
von ihnen gelost zu werden – das findet man nirgendwo sonst.
Nach 11
Runden im von Weltklassespielern wie Ivanchuk, Mamedyarov, Shirov, Grischuk
oder Kamsky vollgepfropften Feld setzte sich etwas überraschend David Navara
durch. Der 22-Jährige, der zu Beginn des Jahres schon einmal eine Elozahl über
2700 erreichte und sich unter die besten 20 der Welt spielte, litt in den
letzten Monaten etwas unter einer Formkrise. Dass seine 2700 allerdings nicht
zufällig zustande kamen, bewies der Tscheche nun eindrucksvoll. Schon eine
Runde vor Schluss führte er mit einem ganzen Punkt Vorsprung und stand wegen
der besten Wertung schon vorzeitig als Sieger fest. Daran änderte auch seine
Schlussrundenniederlage nichts mehr, auch wenn Krishnan Sasikiran und –
vielleicht die größte Überraschung - MikhailMchedlishvili noch zu ihm aufschließen und den ersten Platz teilen
konnten.
Den Abschluss
der Chess Classic machte die Entscheidung der Grenke Leasing Rapid World Championship. Nach der Niederlage im
Chess960 Finale trachtete Vishy Anand auf seinem Lieblingsterrain nach Revanche.
Nach dem ersten Tag dachte jeder, es gäbe keinen Zweifel an der Wiederauflage
des Chess960 Finals. Doch am zweiten Tag demonstrierte Rustam Kasimdzhanov
seine außergewöhnlichen Schnellschachfähigkeiten. In der Entscheidungspartie
des Tages hatte er Aronian am Rande der Niederlage. Mit einem Sieg hätte der
Usbeke noch zu Aronian aufschließen können. Erst eine kleine Unachtsamkeit ließ
den Armenier von der Schippe springen. Am Ende hieß es erneut Anand gegen Aronian,
Doch diesmal siegte der Inder. Nach drei wenig aufregenden Remisen konnte Anand
seinen Dauerkontrahenten in der letzten Partie niederringen und mit 2,5-1,5 den
Schnellschach-WM-Titel der Chess Classic gewinnen. Der Kampf um Platz drei
zwischen Bacrot und Kasimdzhanov stahl den beiden fast etwas die Show. Sie
spielten vier tolle Partien, opferten Material und boten exzellentes
Kampfschach, das die Zuschauer mitriss. Mit einem 2-2 teilten sie schließlich den
dritten Platz.
Business as usual,
könnte man sagen. Am Ende
siegte wieder Vishy Anand. Vermutlich konnte er über Levon Aronian, einen
seiner größten Rivalen bei der in drei Wochen in Mexiko stattfindenden
Weltmeisterschaft im Klassischen Schach, in den insgesamt 14 Partien neue Erkenntnisse
gewinnen.
Anands Rekord
bei den Chess Classic ist unglaublich: Der beste Schnellschachspieler der Welt
konnte zum insgesamt zehnten Mal das schwarze Jackett überziehen. Es war sein
achter Titel in Folge.
Die
eigentlichen Sieger der vierzehnten Chess Classic waren aber wieder einmal die
Zuschauer, die eine Woche lang Schach vom Feinsten professionell dargeboten
bekamen. Wir freuen uns auf das nächste Jahr.