Chess Classic Der König von Turin kommt nach Mainz
12.06.2006 - Eigentlich ist es keine Überraschung mehr, wenn Levon Aronian, der 24jährige Armenier mit Wahlheimat in Berlin, seinen Höhenflug ungebrochen fortsetzt. So gewann er am Spitzenbrett von Armenien mit seiner Mannschaft die Goldmedaille bei der kürzlich beendeten Schacholympiade in Turin und kommt mit diesem Renommé als "König von Turin" zu den Chess Classic Mainz. In Mainz kommt es im Match gegen GM Peter Svidler zum Kampf um die Weltmeisterschaft im Chess960. Zuvor gibt Aronian quasi zum Aufwärmen ein Chess960 Simultan-Match an 20 Brettern. Ob allerdings eine frühere Jugend-Spielerin des SV Oberursel ebenfalls am Simultan teilnimmt, ist noch nicht entschieden.
Levon Aronian (links) gegen Peter
Svidler (rechts)
Im darauf folgenden Jahr gewann er das stark
besetzte FiNet Chess960 Open und qualifizierte sich somit wieder als
WM-Herausforderer von Peter Svidler. Wer die Favoritenrolle in dieser
Auseinandersetzung einnimmt, dürfte unter Experten zumindest umstritten
sein - die Erfolgsbilanz im traditionellen Schach gibt nicht allzu viele
Hinweise über die Leistungsfähigkeit im Chess960.
Weltmeister Peter Svidler gibt offen zu, nicht
unbedingt der beste Experte in der Eröffnungstheorie zu sein und so ist
er schon zufrieden, wenn er aus der Eröffnungsphase einer Partie ohne
gravierende Nachteile heraus kommt. Aronian seinerseits ist in Schachkreisen
nicht unbedingt als ein Theorie-Monster bekannt - bei ihm steht die
Spielfreude an erster Stelle. Allerdings verheimlicht er gerne seine
Fähigkeit, in Sekundenbruchteilen und unter Zeitnot die jeweils besten
Züge am Brett zu finden - eine Eigenschaft, die er vor zwei Jahren im
WM-Kampf gegen Svidler ein um das andere Mal unter Beweis stellte.
Levon Aronian bei den Chess Classic Mainz 2005
In seiner noch jungen Karriere setzte sich Aronian
mit dem Olympiasieg in Turin die Krone auf.
Obwohl Wladimir Kramnik (Russland) nach langer
Krankheit sein Comeback in Turin mit einer sensationellen Leistung krönte, musste
sich das erfolgsverwöhnte Team Russland bei der Vergabe der Medaillen hinten
anstellen.
In der Setzliste als Top-Favorit auf Nummer 1
gesetzt, schaffte das russische Team am Ende nur Platz 6. Wer dies als
eine besondere Enttäuschung einordnet, braucht nur einen Blick auf die
Mannschaft aus Indien zu werfen.
Als Nummer zwei der Setzliste erreichte das Team
auch in Bestbesetzung mit Anand, Sasikiran, Harikrishna, Gangulay und
Sandipan nur Rang 32 - Zufriedenheit sieht anders aus.
Abschlusstabelle: Top 20 der Schacholympiade
Turin 2006
Die Zuschauer der Chess Classic Mainz können sich also auf einen
Olympiasieger Aronian in Top-Form freuen. Am 16. August beginnt der
Auftakt um 15:30 mit einem Chess960 Simultan Aronian gegen 20
Teilnehmern. Teilnehmerplätze werden in begrenztem Umfang über eBay
versteigert.
Levon Aronian: Kurzportrait
Geboren 1982
Lernte als 9jähriger von seiner Schwester Schach
1994 Jugendweltmeister U12 in Szeged (Ungarn) vor
Etienne Bacrot, Ruslan Ponomariov, Francisco Vallejo Pons
und Alexander Grischuk
erzielt 1996 FIDE-Norm als IM
Gewinner der Jugendeuropameisterschaft U20 und
KasparovCup in Moskau
Armenischer Meister 1999
Mit der armenischen Nationalmannschaft
Europa-Mannschaftsmeister in Batumi
FIDE-Titel GM in 2000
Jugendweltmeister U20 in Goa in 2002
2003 gewinnt Aronian das FiNet Chess960 Open in Mainz.
2005 Sieger beim Gibraltar Open
Bronzemedaille Europameisterschaft Warschau 2005
Sieger beim FIDE Weltpokal 2005 in Kanty-Mansysk, dort
besiegte er Ruslan Ponomariov im Stechen und qualifizierte
sich für das Kandidatenturnier zur FIDE-Weltmeisterschaft
2007
2006 Sieger des Traditionsturniers in Linares vor
Weltmeister Vesselin Topalov und Teimur Radjabov
Olympiasieger Turin 2006 mit der Nationalmannschaft von
Armenien
Aktuell Rang 3 der FIDE-Weltrangliste (Stand April 2006)
Ob sich auch eine ehemalige Jugendspielerin des SV Oberursel
für die Chess Classic Mainz anmeldet, ist noch unklar. Klar hingegen ist,
daß Levon Aronian und Arienne Caoili in Turin zur gleichen Zeit am
gleichen Ort des Geschehs waren, welches später in der Presse als "Gormolly-Gate"
bezeichnet wurde.
Wer ist denn, bitteschön, Arienne Caoili? Welchen
Bezug hat Levon Aronien zu diesem Ereignis? Aber zuerst einmal schön der
Reihe nach:
Die Schachspielerin Arienne Caoili spielte in den Jahren 1999 bis 2001 für den SV Oberursel
(Taunus), und ging zuletzt im 4er Pokal auf Punktejagd, musste aber gegen
Rene Schaaf aus Dietzenbach eine Pokalniederlage hinnehmen. Über Arianne
Caoili und ihre Erfahrungen in Deutschland berichtet die
Schachzeitschrift KARLONLINE:
"1999 hatte sie in Paris ihren bislang größten Erfolg, sie wurde
Schnellschach-Weltmeisterin ihrer Altersklasse. Der stärkste Spieler, den
sie bisher besiegt hat, ist Wladimir Jepischin, das war Anfang letzten
Jahres in Malaga.
Über den ehemaligen Karpow-Trainer, der schon mal zu den
Top Ten zählte, sagt sie: "Er ist nett. Ich habe mich in Dortmund wieder
mit ihm unterhalten. Ich denke, er hat vergessen, dass er gegen mich
verloren hat." Das Mädchen hat auch weiterhin große Ziele "Nächstes Jahr
strebe ich eine Elo von etwa 2350 an, und mit spätestens 16 will ich
Damen-Großmeisterin sein. Auf längere Sicht ist die
Damen-Weltmeisterschaft natürlich mein Ziel, aber es ist schwer, so etwas
jetzt schon zu sagen."
Durch ihren ehemaligen Trainer Dorfman hat sie viele Spieler privat
kennengelernt. Aber was sind ihre Lieblingsspieler? "Von der Person Artur
Jussupow. Er ist ein großer Spieler, hat eine exzellenter Technik, und ist
sehr nett - ein guter Mensch. Er hat sich für meine erste Einladung nach
Bad Wiessee eingesetzt." Vom Spiel imponieren ihr Taktiker wenig, sie
bevorzugt Strategen: "Karpow ist definitiv mein Lieblingsspieler. Aber ich
mag auch Capablanca. Mir gefällt, wie er Komplikationen vermied, er
spielte sauberes und harmonisches Schach."
Caoili hat viele Hobbies - aber das hat sie
nicht gehindert, ihre Schachkarriere konsequent fortzusetzen. Sie
avancierte zum IM und der derzeitigen Nummer 3 im Frauen-Olympia-Team von
Australien. Mittlerweile vollzog das Talent auch eine Metamorphose
vom kleinen Mädchen zum optisch ansprechenden Teenager, und so stand
sie mit ihren mittlerweile 19 Jahren auch im Mittelpunkt einer
Männer-Rivalität, die von englischen und australischen Medien
hochstilisiert wurde.
GM Danny Gormally, Großbritannien
Was war geschehen? Bei einer Olympia-Party des
Schachteams von Bermuda in der Turiner Diskothek "Hiroshima Mon Amour"
konnte der englische Großmeister Danny Gormally seine Enttäuschung über
sein bisher schlechtes Abschneiden am Brett oder seine gesunkenen Chancen
auf ein Rendezvous mit Arianne Caoili nicht mehr in gezügelten Bahnen
halten.
Wie unter den Folgen eines Adrenalin-Tsunamis
leidend stürmte er auf die Tanzfläche der Diskothek und bedrängte den
armenischen Olympiasieger Aronian, der gerade mit der australischen
Schach-Schönheit ein rhytmisches Tänzchen hinlegte - und schlug ihn
mangels überzeugender verbaler Argumente mit einem Boxhieb nieder.
Aronian lag flach auf dem Boden der Disko,
Gormally verzog sich flugs und die Medien hatten endlich ihren Aufmacher
für die Berichte von der Schach-Olympiade.
"Faustkampf um Schach-Schönheit", "Blut auf dem
Tanzboden" waren noch die eher üblichen Schalgzeilen der Massenmedien in
Australien und Großbritannien. Stephen Moss vom britischen "Guardian"
allerdings schaffte die rhetorische Höchstleistung, als er den Disput der
beiden Schachspieler um die Gunst eines attraktiven Teenagers zum
Existenzkampf hoch jubelte: "Endlich hat die Öffentlichkeit einen Einblick
in die wirkliche Natur des Schachs gewonnen: ein Existenzkamp Darwin'scher
Ausmaße um Macht und sexuelle Vorherrschaft." Eine wahrhaft evolutionäre
Interpretation des Damengambits.
Nach dem Olympiasieg wurde die armenische
Mannschaft zu Hause in allen Ehren empfangen, Aronian verzog sich jedoch
schnell in seine Wahlheimat Berlin.
Vermutlich hat er den Faustkampf unter Rivalen
schon längst abgehakt - anders als sein englischer Kontrahent GM Danny
Gormally.
Dieser sieht sich mit disziplinarischen
Maßnahmen des englischen Schachverbands konfrontiert und setzt damit die
Reihe der medienträchtigen Ausflüge schachspielender Großmeister in
die eher physisch geprägten Boxkämpfe fort.
Auch FIDE-Vizepräsident
Zumar Azmaiparashvili konnte bei einem FIDE-Turnier auf Mallorca seine Nerven nicht
im Zaun halten. Er legte sich mit den Sicherheitskräften an und musste mit
einem blauen Auge und einem angekratzten Ego seinen restlichen Aufenthalt
in Mallorca in Gefängniszellen der Polizei verbringen.
Nach einem Blick auf die nachstehende Bildfolge
lässt sich sicherlich nachvollziehen, weshalb GM Danny Gormally auf
verschreibungspflichtige Beruhigungsmedikamte verzichtete - wer nimmt
diese Pillen denn schon mit in die Disko.