Chess Classic Radjabovs sehnlichster Wunsch geht in Erfüllung: Nachwuchsstar fordert Mainzer Dauersieger Anand Elisabeth Pähtz plant im Chess960 Revanche gegen Kosteniuk
24.05.2006 - Die Chess Classic Mainz (CCM) zählen alljährlich zu den Topturnieren der Welt. Vom 15. bis 20. August sind die Schach-Wettbewerbe aber noch besser besetzt als in den Jahren zuvor. Drei der vier führenden Großmeister in der Weltrangliste gastieren in der Rheingoldhalle: Viswanathan Anand (Indien), Levon Aronian (Armenien) und Peter Svidler (Russland).
„Damit nicht genug“, betont Organisator
Hans-Walter Schmitt, „zudem sind die derzeit beiden stärksten
Nachwuchs-Cracks der U20-Weltrangliste vertreten: Teimour Radjabov und
Pentala Harikrishna.“ Außerdem hat der Bad Sodener die russische
Weltranglistendritte Alexandra Kosteniuk und einmal mehr die nationale
Spitze mit Arkadij Naiditsch (Bindlach) und der Erfurterin Elisabeth Pähtz
verpflichtet.
GM Viswanathan Anand
Aus diesem illustren Kreis rekrutieren sich die
Spieler für die wichtigsten Zweikämpfe in Mainz. Im Mittelpunkt steht
einmal mehr die GrenkeLeasing-Schnellschach-WM mit Anand.
Dem „Tiger von Madras“ gehen allmählich die Gegner
aus. Achtmal setzte sich der 36-Jährige bei den Chess Classic durch, die
letzten sechs Auflagen gingen ausnahmslos an den „schnellen Brüter“ aus
Indien. Wer sollte also den Schnellschach-Weltmeister herausfordern?
Selbst Wesselin Topalow, der Anand bei der Turnierschach-WM auf Platz zwei
verwies, scheint in der Domäne des Bundesligaspielers vom deutschen
Meister OSC Baden-Badener chancenlos.
„Es ist jedes Jahr schwierig, für Vishy
einen adäquaten Kontrahenten zu finden, der ihn fordert“, betont Schmitt
und hat sich heuer Radjabov ausgeguckt.
„Der Junge ist heiß auf das Match“, berichtet der
CCM-Macher und erinnert sich an das Ordix Open 2005. „Nach seinem
überzeugenden Sieg kam er gleich auf mich zu und beschwor mich, ihn im
nächsten Jahr gegen Anand spielen zu lassen – gerne auch ohne
Antrittsgage!“ Für ’nen Appel und ’n Ei muss der 19-Jährige in der
Gutenberg-Stadt gewiss nicht vom 17. bis 20. August (täglich 18.30 und 20
Uhr) auf die Bühne.
Teimour Radjabov
Die Courage und das Herz des auf Position 13 in
der Welt vorgeschossenen Nachwuchsstars beeindruckte Schmitt so sehr, dass
er Radjabovs sehnlichsten Wunsch erfüllt. „Mit dem Ordix-Open-Sieger 2004,
Alexander Grischuk, machten wir gute Erfahrungen. Sein Zweikampf gegen
Anand brachte viele interessante Partien“, meint Schmitt. Um Platz eins im
weltweit stärksten Schnellschach-Open weiter aufzuwerten, soll künftig der
Gewinner erster Anwärter als Herausforderer für Anand sein. Ausnahmen
bedingt sich der 54-jährige Organisator aber aus und nennt Beispiele:
„Wenn Vishy doch einmal unterliegen sollte, erhält er die Gelegenheit zur
Revanche.“ Die zweite Option klingt so spektakulär wie nichts anderes auf
den 64 Feldern: „Falls Garry Kasparow sein Comeback feiern will, kann er
auch jederzeit den Platz besetzen!“ Einstweilen widmet sich das „Ungeheuer
von Baku“ der russischen Politik – und sein legitimer Nachfolger in seiner
Geburtsstadt, Radjabov, versucht sein Glück gegen den Abonnement-Champion
der Chess Classic. Unterschätzen wird Anand den U20-Weltranglistenersten
aber bestimmt nicht. „Das kleine Ungeheuer von Baku“ hat schließlich das
große auch schon vor seinem Rücktritt geschlagen!
Mit ersten Turnieren in Mainz wurde Chess960
populär. Bei dieser Schach-Variante werden vor jeder Partie die
Grundstellungen unter 960 Positionen ausgelost. Somit gewinnt nicht der
Spieler mit der größeren Eröffnungskenntnis, sondern der virtuosere
Stratege. Das innovative Konzept Schmitts hat zwei Firmen begeistert:
FiNet sponserte schon im Vorjahr das Chess960 Open, das am 17. und 18.
August stattfindet. Falko König, Manager des auf den deutschen Markt
drängenden britischen Versicherers Clerical Medical, ist von Chess960
ebenso angetan wie die wachsende Fangemeinde, die inzwischen an
zahlreichen Turnieren teilnimmt. In der Rheingoldhalle gibt Clerical
Medical gleich vier Weltmeisterschaften seinen Namen!
Das hochkarätigste neue Schach garantiert hierbei
sicher die Titelverteidigung von Swidler gegen Aronian. Letzterer hatte
vor zwei Jahren knapp den Kürzeren gezogen. Diesmal geht jedoch der
FiNet-Open-Gewinner 2005 als leichter Favorit in die acht WM-Partien mit
jeweils 25 Minuten Bedenkzeit plus zehn Sekunden Zugabe je Zug (dieselbe
Kadenz wie bei Anand – Radjabov). Aronjan katapultierte sich mit dem
Weltcup-Sieg und dem prestigeträchtigen Erfolg im spanischen Linares auf
Platz drei der Weltrangliste hinter den deutlich in Front liegenden
Topalov und Anand. Damit verdrängte er im normalen Schach ausgerechnet
Svidler auf Rang vier. Der St. Petersburger will sicher gegen den in
Berlin lebenden Aronian beweisen, dass er zumindest im Chess960 besser
ist.
Alexandra Kosteniuk
Um Chess960-Weltmeisterschaften geht es auch
erstmals in drei weiteren Kategorien, die wie im FiNet Open mit 20 Minuten
Bedenkzeit (plus fünf Sekunden pro Zug) ausgetragen werden: Damen,
Senioren und U20. Wie bei Swidler – Aronjan steht beim holden Geschlecht
eine Revanche auf dem Programm. Im weltweit für Aufsehen sorgenden „Duell
der Grazien“ hatte die Russin Alexandra Kosteniuk anno 2002 die Erfurterin
Elisabeth Pähtz niedergehalten. Dass die beiden Großmeisterinnen zu den
vielversprechendsten Talenten zählten, bewiesen sie anschließend. Die
deutsche Nummer eins wurde U18- und U20-Weltmeisterin. Und Kosteniuk sorgt
nicht nur als Glamour-Girl für Furore, wie zuletzt etwa im amerikanischen
„Penthouse“. Die „Anna Kurnikowa des Schachs“ ist auch sportlich
erfolgreich und verbesserte sich in der Damen-Weltrangliste auf Platz drei
mit 2540 Elo-Punkten. Außenseiterin Pähtz liegt mit 2438 Elo auf Position
26.
Knapper scheint die U20-WM im Chess960 auszugehen:
Der Dortmunder Naiditsch ist in der Lage, fast jeden Großmeister zu
schlagen. Der stärkste Deutsche liegt mit 2664 Elo als 41. nicht allzu
weit hinter dem Weltranglisten-25. Harikrishna (2680).
Das Kontrastprogramm zu den jungen Wilden bieten
Vlastimil Hort (Oberhausen) und Lajos Portisch (Ungarn). Die einstigen
Top-Großmeister ermitteln auch in acht Begegnungen am 15. und 16. August
(ab 15 Uhr) den ersten Chess960-Senioren-Weltmeister. Im FiNet Open hat
somit jeder Amateur die theoretische Chance, sich für eine Chess960-WM zu
qualifizieren. Außerdem geht es am 17. und 18. August in dem elfrundigen
Wettbewerb sowie im Ordix Open (19. und 20. August) um insgesamt 40.000
Euro. Im Kampf um diesen erklecklichen Preisfonds dürften wieder mehr als
hundert internationale Titelträger nach Mainz pilgern. Im Vorjahr sorgten
546 Teilnehmer für einen neuen Rekord.
Für Amateure wie Zuschauer bieten die Chess
Classic aber wie gewohnt noch mehr Rahmenprogramm: Vor der
Livingston-Computer-WM im Chess960 (17. und 18. August) prallen einen Tag
zuvor Weltmeister Svidler und das Programm „Spike“ aufeinander. Die
Amateur-Programmierer Volker Böhm und Ralf Schäfer aus Mainz und Wiesbaden
hatten im Vorjahr sensationell die erste Computer-WM im Chess960 vor
renommierter Gegnerschaft gewonnen. Spannung verheißt auch das zeitgleiche
Match zwischen Radjabow und dem Rekord-Computer-Weltmeister Shredder, den
der Düsseldorfer Stefan Meyer-Kahlen programmiert. Mit A&A können sich
Simultan-Freunde messen: Am 15. August (15.30 Uhr) ist wieder einmal Anand
an der Reihe, den traditionsreichen Rundlauf an 40 Brettern zu übernehmen.
Hartmut Metz
Das Duell mit dem sympathischen Inder können seine
Fans entweder auf Anfrage bei den Chesstigers erwerben oder einen der 15 Plätze bei Ebay ersteigern. Sieben Plätze
werden per Online-Versteigerung für eine Chess960-Partie gegen Aronian
vergeben. Die 13 weiteren Bretter vergeben die Chesstigers auch auf
Anfrage.
Detaillierte Informationen (etwa zu den vergünstigten Angeboten im Hotel
Hilton) und neue Nachrichten zu den Chess Classic Mainz finden sich
ebenfalls regelmäßig auf
www.chesstigers.de.