Igors Rausis und Juhani Seppovaara

Er spielte Schach mit Igors Rausis

Zwei Männer, zwei Diagnosen, ein Schachbrett – in seinem neuen Roman "The Chess Master“ (2024) verbindet der finnische Autor Juhani Seppovaara Schach, Krankheit und existenzielle Gespräche zu einer literarischen Reflexion über das Leben und den Tod. 

Im Interview spricht Seppovaara über seine Begegnungen mit dem umstrittenen Großmeister Igors Rausis und die Frage, ob Schach wirklich helfen kann, dem Tod ins Auge zu sehen.
Ein Gespräch über Betrug, Wahrheit – und den Mut, ehrlich zu erzählen.

Hallo Juhani, Glückwunsch zur Veröffentlichung der englischen Ausgabe von "A Chess Master". Worum geht es genau in deinem Buch? 

Das Buch erzählt die Geschichte eines Mannes mit einer Krebsdiagnose, der beim Schach Ablenkung sucht – und dabei auf das Bild von Igors Rausis stößt, dem Großmeister, der beim Betrügen erwischt wurde und ebenfalls an Krebs leidet. Er reist nach Riga und trifft Rausis, der in eine Schuppen lebt, persönlich. Die beiden sprechen offen über Schach, Krankheit, Betrug und das Leben. 

Du kommst aus Finnland, lebst aber in Berlin. Hat diese Stadt deine Arbeit als Autor beeinflusst? 

Ja, Berlin ist eine lebendigere und internationalere Stadt als meine Heimatstadt Helsinki, und außerdem bedeutete der Umzug nach Berlin einen neuen Lebensabschnitt, der mich auch zum Schreiben inspirierte.

Im Buch nutzt der Erzähler das Schachspielen, um sich von seiner Krankheit und seinen Ängsten abzulenken. Glaubst, dass Schach wirklich dabei helfen kann, mit schwierigen Lebensphasen umzugehen?

Nur in dem Sinne, dass es von seiner Krankheit ablenkt. In diesem Fall haben Rausis' Erfahrungen als Arzt und seine furchtlose Einstellung zum Tod dem Erzähler geholfen, mit seiner Krankheit umzugehen.  

Wie viel von dir selbst steckt in der Hauptfigur des Buches?

Obwohl es viele fiktive Elemente in der Geschichte gibt, ist der Erzähler in allen wesentlichen Punkten wie ich, nur dass ich keine tödliche Krankheit habe. Aber ich bin 78 Jahre alt, und das Ende naht sowieso. Über den Tod zu schreiben bedeutet, sich darauf vorzubereiten.

Igors Rausis 2011, Winterthurer Schachwoche. Quelle: Wikipedia 

Die beiden Hauptfiguren im Buch sprechen viel über Leben und Tod. Warum hast du für deine Geschichte gerade zwei Männer gewählt, die beide schwer krebskrank sind?

Ich selbst bin gesund, aber ich habe die Angst vor dem Krebs erlebt und wollte über die Angst vor dem Tod schreiben.

Hast  du Igors Rausis tatsächlich persönlich getroffen – oder ist dieser Teil des Buchs Fiktion?

Ja, ich habe ein paar Wochen in Riga verbracht und mit Rausis mehrere Abende in seinem Schuppen gesprochen und auch mit ihm gespielt. Ich wollte aus erster Hand erfahren, wie genial der Spielstil des Großmeisters ist.

Wie gut spielst du, wenn du selbst sogar gegen Rausis angetreten bist?

Ich habe selbst etwas weniger als 2 000 Elo, also war unsere Partie natürlich ungleichmäßig.  

Und hat er gewusst, dass du ein Buch über ihn schreibst? Was sagte er darüber? 

Ja, ich habe Ihnen sofort von meinem Buchplan erzählt. Ich glaube, er hatte das Bedürfnis, einen Bericht über sein Leben und seine Schachkarriere zu geben. Ich habe auch gesagt, dass ich weder eine Verteidigungsrede noch eine Anklage schreiben würde.
Es ist nur schade, dass er mein Buch nicht lesen konnte.

Was erzählt Rausis im Buch über die Schachszene und die Welt der Großmeister? 

Er sagt, es sei eine gnadenlose und psychisch zermürbende Welt – ein Milieu, in dem es nur wenige Gewinner gibt. 

Rausis hat seinen Betrug öffentlich nie richtig bereut. War es schwierig, über eine umstrittene Person wie ihn zu schreiben, ohne ihn bloßzustellen?

Rausis gab zu, dass er falsch gehandelt hatte, und akzeptierte die Sanktionen. Er sagte mir, dass der Betrug ihm das Leben gerettet hat, denn zuvor hatte er die notwendigen Behandlungen vermieden, weil sie ihn am Spielen gehindert hätten. Nachdem er gesperrt worden war, ließ er sich behandeln und bekam vielleicht noch eigene zusätzliche Jahre zu leben. In diesem Sinne hat er nichts bereut.
Im Vorfeld habe ich mich gefragt, wie ich mit dem Betrug umgehen würde, aber wir haben offen und ehrlich über alles gesprochen.

Bild von Igors Rausis mit Handy, 2019, Straßburg (Quelle: Chess.com)


Hatte Rausis trotz seiner tödlichen Krankheit noch Pläne? 

Er war der älteste Großmeister, der noch auf höchstem Niveau spielte. Ich hatte das Gefühl, dass Rausis bereit ist zu sterben, aber nicht bereit ist zu akzeptieren, dass es in seinem Alter - über 60 - nicht möglich ist, sein Spielniveau zu halten, geschweige denn zu steigern. Vielleicht strebte er immer noch 2 700 Elopunkte an, und das war nur noch einen Turniersieg entfernt. Ein Erfolg hätte ihm auch Geld für teure Behandlungen gebracht.

Nach Ablauf der Sperre hoffte er, an Seniorenturnieren teilnehmen und seinen Großmeistertitel wiedererlangen zu könne. Aber der Tod kam dazwischen...

Zu welchem Schluss kommen die beiden Personen im Buch? Was ist noch wichtig, wenn man weiß, dass der Tod bevorsteht?

Den Tod zu verstecken, macht ihn noch schrecklicher. Es gibt nur ein Mittel gegen die Angst vor dem Tod: keine Angst vor ihm haben. Dies ist keine Binsenweisheit. Schließlich hört der Erzähler von einer Frau in einem Café einen Satz des italienischen Dichters Casare Pavese: "Es ist schön zu leben, denn das Leben ist immer ein Anfang, in jedem Augenblick."

Wie geht es mit deinem Buch weiter?
Es ist auf finnisch unter dem Titel "Shakkimestari" erschienen. Ich habe es dann auf meine eigenen Kosten ins Englische übersetzen lassen. Als nächstes plane ich eine Ausgabe in deutscher Sprache. Dafür suche ich aber noch einen Verlag. 

Viel Erfolg und danke für das interessante Interview! 

Beitragsbild:
Buchautor Juhani Seppovaara (links), Igors Rausis (rechts)

Links: 

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