Die Schachnotation

Die Schachnotation

Xenia Bayer erklärt in anschaulichen Worten die Bedeutung der Schachnotation und erzählt dabei von Schatzkarten, Zeitmaschinen und der sogenannten Goldmünzen-Partie.

Die Notation ist eine Geheimsprache, die nur Schachspieler verstehen. Sie erzählt die Geschichte einer Schachpartie. 

Xenia Bayer erklärt in anschaulichen Worten die Bedeutung der Schachnotation, und erzählt dabei von Schatzkarten und Zeitmaschinen.

 

Xenia Bayer:
Hallo liebe Zuhörer, ich heiße Xenia Bayer. Willkommen zu meinem Podcast Schach für Kinder.

Kind:
Eine Geheimbotschaft. Lxg5 … b8D … hm … Kf3 … Txd8.
Hey, Trainerin, sag mal, was ist das? Eine Geheimbotschaft?

Xenia Bayer:
Kann man so sagen, es ist Notation.

Kind:
Notation? Habe ich noch nie gehört.

Xenia Bayer:
Wenn man eine Schachpartie spielt, schreibt man seine Züge auf. Dafür gibt es die Notation. Und du hast recht, das ist eine Art von Geheimsprache, die nur Schachspieler nutzen.

Kind:
Oh, spannend. Also, wie eine Art Tagebuch für die Partie?

Xenia Bayer:
Ganz genau, die Geschichte einer Schachpartie. Jeder Zug wird aufgeschrieben, damit man die Partie später nachspielen oder analysieren kann. Nur, statt Sätze, schreibt man mit Buchstaben und Zahlen. Zum Beispiel: das Feld g5 ist eine Art Adresse auf dem Schachbrett. Stell dir vor, das Schachbrett ist wie eine Stadt mit Straßen – Buchstaben – und Häusern, Zahlen.

Jeder Zug erzählt, wo eine Figur hingegangen ist oder was sie gemacht hat. Das „L" davor sagt zum Beispiel, dass der Läufer dorthin gezogen ist. Und wenn eine Figur etwas schlägt, dann kommt ein kleines „x“ dazu. Das ist wie ein Kreuz auf der Schatzkarte: Hier ist etwas passiert.

Kind:
Das klingt ja wirklich wie ein Geheimcode. Und b8D?

Xenia Bayer:
Das ist noch spannender. Ein Bauer erreicht die achte Reihe und verwandelt sich in eine Dame. Man schreibt „D“ dazu, um zu zeigen, dass er sich umwandelt und kein Bauer bleibt. Er kann sich auch in eine andere Figur umwandeln: dann ist „T“ Turm oder „S“ Springer.

Kind:
Und der Bauer, der ist doch auch wichtig.

Xenia Bayer:
Ja. Der Bauer hat gar keinen Buchstaben. Wenn nichts davorsteht, dann war es der Bauer. Einfach, oder?

Kind:
Also der Bauer ist unsichtbar in der Geheimschrift.

Xenia Bayer:
So könnte man das sagen. Wenn du diese Geheimschrift kennst, kannst du ganze Partien lesen, als wären es Geschichten. Geschichten von Angriffen, Verteidigung, kleinen Fallen und großen Siegen.

Und nicht nur lesen: du kannst sie auch nachspielen. Das ist wie eine Zeitmaschine. Mit der Notation reist du in jede Schachpartie zurück.

Kind:
Wie cool! Man kann mit der Zeitmaschine reisen?

Xenia Bayer:
Pass auf, wir spielen jetzt eine kleine Partie. Ich zeige dir, wie man die Züge aufschreibt. Erster Zug: e4.

Kind:
Also der Bauer auf der e-Straße marschiert bis zum Haus Nummer 4. Einfach nur e4, stimmt’s?

Xenia Bayer: 
Genau. Kein Buchstabe davor, also ein Bauer. Perfekt. e5.

Kind: 
Ah, jetzt macht Schwarz dasselbe. Bauer von der e-Straße geht zu 5. Das schreibe ich e5.

Xenia Bayer:
Richtig. Die beiden Bauern treffen sich mitten auf dem Brett.

Zweiter Zug: Sf3.

Kind:
Hm, jetzt sehe ich ein S – das ist der Springer, oder?

Xenia Bayer:
Ganz genau. Springer zieht nach f3. Er hüpft dorthin wie ein Pferd über die Dächer.

Schwarz spielt Sc6.

Kind: 
Noch ein Springer, dieses Mal nach c6. Also Sc6.

Xenia Bayer: 
Prima, beide Springer schauen sich jetzt an, fast wie zwei Wächter auf der Schatzkarte.

Dritter Zug: Lc4.

Kind: 
Und hier – „L“ heißt Läufer – er zieht nach c4.

Xenia Bayer:
Super. Schwarz antwortet mit Lc5.

Kind:
Schon wieder ein Läufer, aber dieses Mal auf c5.

Xenia Bayer: 
Weiter geht es mit 0–0.

Kind:
Ups, was ist 0–0?

Xenia Bayer:
Weiß hat kurz rochiert. Deswegen schreibt man 0–0.

Kind:
Und wenn es eine lange Rochade wäre?

Xenia Bayer:
Dann hätten wir 0–0–0, also die drei Nullen geschrieben.

Kind:
Und wenn ich Schach setze?

Xenia Bayer:
Beim Schach schreibst du Plus. Beim Matt die sogenannte Raute oder Hashtag.

Kind:
Oha, interessant. Und wenn ich Remis gespielt habe?

Xenia Bayer:
Dann schreibst du "ist gleich".

Kind:
Ist gleich? Wie in Mathe?

Xenia Bayer:
Ganz genau. Wollen wir unsere Partie weiterspielen?

Kind: 
Klar.

Xenia Bayer:
Also, Weiß hat rochiert. Schwarz kann aber noch nicht rochieren und macht den Zug Sf6.

Kind:
Ah, Springer zieht auf f6.

Xenia Bayer:
Sehr gut. Weiß kann jetzt zum Beispiel mit d3 antworten.

Kind
Ah ja, der d-Bauer macht einen Schritt vor.

Xenia Bayer:
Richtig. Und weißt du was? Genau so fängt die italienische Eröffnung an. Sie heißt so, weil schon vor vielen hundert Jahren italienische Meister diese Züge gespielt haben. 

Kind:
Cool! Also habe ich gerade einen Klassiker der Schachgeschichte nachgespielt?

Xenia Bayer:
Ganz genau. Und du hast die Notation dabei gelernt.

Kind:
Trainerin, diese Notation ist ja spannend. Aber wo soll ich diese ganzen Züge eigentlich aufschreiben?

Xenia Bayer:
Dafür gibt es ein Partieformular. Das ist ein Blatt Papier, auf dem man die Züge einer Schachpartie notiert.

Kind:
Wie sieht das aus?

Xenia Bayer:
Ganz einfach: Es gibt eine Spalte für Weiß und eine für Schwarz. Davor steht die Zugnummer.

Bei Turnieren ist jeder Spieler verpflichtet, seine Züge und die Züge des Gegners aufzuschreiben. Am Ende der Partie unterschreiben beide Spieler das Partieformular. Damit bestätigen sie das Ergebnis.

Viele Spieler sammeln ihre Partieformulare. Und so entsteht eine richtige Sammlung von eigenen Schachgeschichten. Noch wichtiger: Später können wir zusammen deine Partien anschauen und analysieren. Wir sehen dann genau, wo Fehler passiert sind und wie du es nächstes Mal besser machen kannst. So wirst du Schritt für Schritt stärker im Schach.

Kind:
Ah, dann ist es wie ein Trainingsbuch. Ich lerne aus jedem Zug.

Xenia Bayer:
Genau. Jede Partie wird so zu einer Chance, besser zu werden.

Weißt du, dass man früher die Züge noch in ganzen Sätzen beschrieben hat? Erst später entwickelte sich die algebraische Notation, die heute weltweit verwendet wird.

Hier ist ein Beispiel, ein kleiner Auszug einer Partie aus dem Schachmanuskript Trattato del gioco degli scacchi von Gioachino Greco, stammt aus dem Jahr 1620

… [Beispiel]

Kind:
Oh, da hat man früher viel Zeit gebraucht, um die Züge aufzuschreiben. Gut, dass wir jetzt eine andere Notation nutzen. Aber was passiert, wenn auf meiner Schachuhr noch ganz wenig Zeit ist? Ich schaffe es doch nicht schnell zu ziehen und aufzuschreiben. 

Xenia Bayer:
Im Blitzschach zum Beispiel schreibt man die Züge gar nicht auf. Das Spiel ist richtig schnell, jeder hat nur ein paar Minuten. Da bleibt keine Zeit, die Züge aufzuschreiben. Bei längerer Bedenkzeit wird bis auf eine Ausnahme jeder Zug mitgeschrieben: Wenn du weniger als fünf Minuten auf deiner Uhr hast und keinen kleinen Bonus für jeden Zug, also kein zusätzliches Zeitplus (Inkrement) von 30 Sekunden bekommst, musst du die Züge nicht mehr mitschreiben. Stattdessen notiert ein Schiedsrichter deine Züge bei sich. Du musst sie danach trotzdem ins Partieformular eintragen.

Wenn du richtig gut im Schach werden willst, solltest du die Partien der großen Meister nachspielen. Du weißt ja jetzt, wie man die Züge aufschreibt. Also kannst du Partieformulare von berühmten Großmeistern lesen. Es sei denn, es ist ein Formular von Bobby Fischer – der für seine unleserlichen Kritzeleien bekannt ist. 

Jedes Partieformular erzählt eine spannende Geschichte.

Kind:
Ist das wie ein Abenteuerbuch zu lesen? 

Xenia Bayer:
Genau. Nehmen wir zum Beispiel die sogenannte Goldmünzen-Partie. 

Kind: 
Goldmünzen? Klingt aufregend. 

Xenia Bayer: 
Am 20. Juli 1912 spielte der russische Meister Stepan Levitsky gegen den Amerikaner Frank Marshall. Marshall machte einen mutigen Zug. Er opferte seine Dame und gewann die Partie. Dieser Zug wurde so berühmt, dass man ihn den Goldmünzen-Move nannte. Die Zuschauer waren so begeistert, dass sie – so sagt man – Goldmünzen auf das Brett geworfen haben. 

Kind:
Münzen flogen durch die Luft? Ist das wahr?

Xenia Bayer:
Das ist das Spannende. Manche berichten, dass es tatsächlich Goldstücke waren.  Allerdings gibt es auch Berichte, die diese Darstellung in Frage stellen. Niemand weiß es genau. Aber die Geschichte bleibt legendär. Und die Partie selbst war ein echtes Meisterwerk. Die Züge, die Marshall gespielt hat, waren so clever, dass Schachspieler noch heute darüber staunen.

Und genau deshalb lernen wir aus solchen Partieformularen. Wir sehen nicht nur, was passiert ist, sondern auch, wie großartig Schach sein kann.

Kind:
Also kann ich mich beim Nachspielen selbst ein bisschen wie ein Meister fühlen?

Xenia Bayer:
Genau. Jede Partie ist wie ein Abenteuer, das du nacherleben kannst. Und manchmal wartet sogar ein kleines Stück Geschichte auf dich.

Und worauf wartest du? Mach dich bereit für dein Schachabenteuer.

Kind:
Bis später, Trainerin.

Xenia Bayer:
Bis zum nächsten Mal – eure Xenia Bayer.

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