Fabian Czappa ist beim Hessischen Schachverband für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Für seine Interviewreihe „Mattgesetzt“ hat er mit sieben prägenden Stimmen des hessischen Schachs gesprochen: Madeleine Schardt, Reamonn Leitzig, Franziska Blaschke, Claus Henrici, Günter Wagner, Markus Hahn und Friederike Tampe.
Die Gespräche zeigen wichtige Erkenntnisse darüber, welche Ideen gut funktionieren, damit der Schachsport weiter wachsen kann. Die wichtigsten Erkenntnisse haben wir in 10 Thesen aus Hessen zusammengefasst.
10 Thesen aus Hessen – Wie Schach wirklich wächst
1. Schach ist Teamsport, auch jenseits des Brettes.
Ob bei Madeleine Schardt in Niederbrechen oder bei der Frankfurter Stadtmeisterschaft, die Reamonn Leitzig organisiert: überall wird sichtbar, dass Turniere, Jugendgruppen und Vereinsleben nur funktionieren, wenn viele Hände zusammenarbeiten – vom Buffet bis zur Partieerfassung. Auch in Bezirken und der HSJ sind Veranstaltungen wie das Zentrale Lager echte Teamleistungen. Hessens Stärke liegt in funktionierenden Netzwerken, nicht in Einzelhelden.
2. Eine gute Atmosphäre ist kein Extra, sondern Grundvoraussetzung.
Madeleine beschreibt, wie Kuchen, gemeinsame Essen und Gesprächsräume Turniere zu Erlebnissen machen. Die Hessische Schachjugend (HSJ) – etwa in Friederike Tampes Schilderungen – zeigt, wie Freizeitprogramm, Sport, Basteln und „Lagerfeuer-Momente“ dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche gern wiederkommen. Vereine, die Begegnung ermöglichen, binden Mitglieder langfristig.
3. Mädchen bleiben, wenn man ihnen Räume und Gruppen gibt.
Durch Formate wie Girls-Camp und Mädchen-Grand-Prix schafft Franziska Blaschke stabile Strukturen, die Mädchen im Übergang Richtung Pubertät halten. Freundinnengruppen, gemeinsame Turnierfahrten und weibliche Vorbilder tragen ebenso dazu bei wie geschützte, niedrigschwellige Angebote. Erst in einem sicheren Rahmen entsteht die Selbstsicherheit, später in gemischten Turnieren selbstverständlich mitzuspielen.
4. Schulschach ist Hessens wichtigster Motor.
Reamonn führt Schul-AGs, Friederike organisiert den riesigen Schulschachpokal, und der Landesreferent ist im Ministerium verankert: Hessen zeigt, dass kaum ein Bereich mehr Wachstum erzeugt. Viele Kinder erleben dort ihr erstes Turnier überhaupt – und steigen später in Vereine ein. Die Brücke Schule–Verein entscheidet darüber, ob diese Potenziale genutzt werden.
5. Bezirke und Verband müssen als Dienstleister auftreten.
Claus Henrici und Günter Wagner beschreiben Bezirke als „Verein von Vereinen“, der rechtliche Sicherheit, Material, Turnierorganisation und Hilfen bei Neugründungen bietet. Gleichzeitig wünschen sich viele mehr aktive Kommunikation vom HSV: Newsletter, Info-Kanäle, gezielte Verteilung von Ausschreibungen. Die HSJ fungiert dabei als Jugendabteilung des HSV – mit dem Anspruch, Jugendthemen in den Gesamtverband zu tragen.
6. Leistung entsteht aus Breite – und braucht Anschluss nach U18.
Markus Hahn zeigt, wie der hessische Kader junge Talente fördert und regelmäßig nationale Spitzenplätze erreicht. Gleichzeitig endet die Förderung mit 18, obwohl viele Jugendliche dann erst richtig reifen. Auch Friederike beschreibt diese Lücke. Hessen ist stark in der Ausbildung – jetzt braucht es eine Perspektive für junge Erwachsene, die bleiben wollen.
7. Ehrenamt ist der unsichtbare Motor des hessischen Schachs.
Ob Franziska, die Frauen-Teams organisiert, oder Friederike, die mit einem kleinen Team Großveranstaltungen stemmt: Das hessische Schach lebt von Menschen, die neben Beruf und Studium Verantwortung übernehmen. Auch in Vereinen wie Niederbrechen oder bei Turnieren wie der Frankfurter Stadtmeisterschaft zeigt sich, wie wertvoll dieses Engagement ist. Wertschätzung, klare Aufgabenprofile und Unterstützung sind entscheidend, damit Ehrenamtliche nicht ausbrennen.
8. Formate müssen zu den Lebensrealitäten passen.
Die Frankfurter Stadtmeisterschaft findet montags statt, damit Berufstätige spielen können. Frauen- und Jugendveranstaltungen setzen auf kurze Wege, Wochenenden und Übernachtungen. Die HSJ kombiniert Schnellschach-Vorrunden mit Langzeitfinals für eine faire Qualifikation. Schach wächst dort, wo die Angebote das Leben der Menschen berücksichtigen – nicht umgekehrt.
9. Kommunikation entscheidet über Wirkung – und Digitalisierung gehört zwingend dazu.
Viele gute Projekte bleiben unsichtbar, weil Infos nicht aktiv verteilt werden. Madeleine wünscht sich einen HSV-Info-Channel, Günter einen Newsletter, Friederike eine breitere Wahrnehmung der HSJ-Angebote. Digitalisierung ist hier kein Luxus: Online-Partien, Livestreams, digitale Ausschreibungen, zentrale Plattformen und transparente Meldesysteme machen Ehrenamt leichter und Veranstaltungen sichtbar. Digitale Infrastruktur ist ein Schlüssel für Reichweite und Professionalisierung.
10. Die Turnierlandschaft braucht Vielfalt, Mut und moderne Präsentation.
Die Interviews zeigen, wie bunt Hessens Turnierszene bereits ist: Frauenblitz, Abend-Runden, Mädchen-Grand-Prix, Zentrales Lager, Chess960-Pokal, U8-Formate, Mannschaftsmeisterschaften, Schulturniere. Gleichzeitig wünschen sich viele modernere Formate und mehr öffentliche Präsenz – etwa Bezirkswettkämpfe im Stadtraum, innovative Varianten wie Chess960 oder hybride Modelle mit digitaler Begleitung. Eine zeitgemäße Turnierlandschaft spricht unterschiedliche Zielgruppen an, fördert Begegnung und macht Schach sichtbar nach außen. Hier hat Hessen großes Potential, Vorreiter zu sein.
Fazit:
Die Gespräche zeigen: In Hessen funktioniert Schach dort gut, wo engagierte Menschen, gute Strukturen und passende Formate zusammenkommen. Daraus entsteht ein einfaches Bild: Schach wächst, wenn Atmosphäre stimmt, Informationen ankommen und Angebote zu den Menschen passen. Die Stimmen aus „Mattgesetzt“ geben dafür wertvolle Anregungen, die weit über Hessen hinaus nutzbar sind.
Anmerkungen:
- Die Originale der Interviews finden sich auf der Homepage des Hessischen Schachverbandes.
- Diese Zusammenfassung ist keine offizielle Verlautbarung des Hessischen Schachverbandes, sondern privat erstellt.













