Drei Jahrzehnte später: Kasparov besiegt Anand erneut

Drei Jahrzehnte später: Kasparov besiegt Anand erneut

Garri Kasparov kann es noch: der 62-Jährige besiegte Vishy Anand im Duell der Legenden in St. Louis mit 13:11. 

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Ein Wiedersehen nach 30 Jahren

Dreißig Jahre nach ihrem legendären WM-Duell im World Trade Center von New York trafen sich Garry Kasparov und Viswanathan Anand erneut am Brett. Beim Einladungsevent „Clutch Chess: The Legends“ in St. Louis gewann der 62-jährige Schach-Titan aus Baku mit 13:11 gegen den fünfmaligen Weltmeister aus Indien.

Der Weltschachverband FIDE berichtete über das Event nicht – ob wegen des Freestyle-Formats oder wegen Kasparovs kritischer Haltung gegenüber Wladimir Putin, blieb offen.

Saint Louis Chess Club feiert Wiedereröffnung

Das Aufeinandertreffen war Teil der Wiedereröffnung des Saint Louis Chess Club, der nach umfangreichen Umbauten nun viermal so groß ist wie zuvor.

Das Match erinnerte unweigerlich an das WM-Match von 1995, das Kasparov ebenfalls für sich entschieden hatte.

Foto: Owen Williams, The Kasparov Agency, via Wikipedia

Diesmal standen sich die beiden Legenden im Chess960-Format gegenüber. Gespielt wurden zwölf Rapid- und Blitzpartien über drei Tage, wobei die Punkte und Preisgelder täglich anstiegen: ein Punkt pro Sieg am ersten Tag, zwei am zweiten und drei am dritten. Der Gesamtpreisfonds betrug 144 000 Dollar.

Entscheidende Zeitüberschreitung

Kasparov sicherte sich den Sieg bereits zwei Partien vor Schluss. Anand verkürzte mit zwei abschließenden Blitzsiegen noch auf 13:11 und verdiente dabei 16 000 Dollar an Bonusprämien. Der 13. Weltmeister hatte zuvor einen uneinholbaren Vorsprung aufgebaut – auch, weil Anand in einer klar gewonnenen Stellung am zweiten Tag die Zeit überschritt. Kasparov entschuldigte sich später: 

„Es war eine verlorene Stellung, ich hätte bestraft werden sollen. Ich fühlte mich schuldig, so zu gewinnen.“ (Quelle)

Kasparov zeigte sich ingesamt überrascht über sein Abschneiden:

„Ich bin kein Profi mehr, hatte kaum Erwartungen. In vielen Partien hatte ich Glück. Aber offenbar war ich widerstandsfähiger, als Vishy dachte.“ (Quelle)

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Anand: Geister der Vergangenheit

Gegenüber dem Saint Louis Chess Club sagte Kasparov, Anand habe „psychologisches Unbehagen“ verspürt:

„Sein Score gegen mich ist historisch schlecht. Vielleicht haben ihn die Geister der Vergangenheit während der Partien heimgesucht.“ (Quelle)

Dabei ist Anands Bilanz durchaus respektabel. Chesstempo listet 82 Partien zwischen den beiden. Davon gewann Anand immerhin 16x, remisierte 41x und musste sich 25x geschlagen geben. 

Die Partien der beiden sind auch heute immer noch lehrreich und bergen zahlreiche Perlen, wie z.B. Kasparovs Zug 32. Ld8!! in Moskau 1996 (Klick auf Diagramm = Link zur Partie). 

Historisches Datum

Bemerkenswert: Der Sieg fiel auf dasselbe Datum wie der WM-Triumph von 1995 – den 10. Oktober. Kasparov selbst wusste das nicht, zeigte sich aber gerührt, als er darauf hingewiesen wurde. In einem Social-Media-Post schrieb er später:

„Die Gebäude, in denen wir 1995 kämpften, gibt es längst nicht mehr, sogar die Regeln des Spiels haben sich verändert. Aber wir sind noch hier.“ (Quelle)

Seit seinem Rückzug 2004 tritt Kasparov nur noch gelegentlich in Schauwettkämpfen an. Anand, 55, spielt ebenfalls nur noch punktuell Turniere, engagiert sich aber intensiv in der Nachwuchsförderung – etwa durch seine WestBridge-Anand Chess Academy (WACA), die Talente wie Gukesh, Praggnanandhaa und Vaishali unterstützt.

Auch dazu fand Kasparov humorvolle Worte:

„Ich habe nur ein paar Kinder, die mich ablenken – Vishy dagegen ein ganzes Land voller Schach-Kinder.“ (Quelle)

Ein Fehler im Endspiel

Der Wettkampf zeigte auf, dass auch ein fünfmaliger Weltmeister wie Anand hin und wieder falsch in ein verlorenes Bauernendspiel abwickelt. 

Der Weiße ließ sich hier zu 45. Txg6? verleiten, Dabei übersah er, dass nach 45. ... Kxg6 46. hxg3 h3! der Schwarze über zwei Freibauern verfügt (d5 und h3), die gefährlicher als die weißen Freibauern sind. 

Sinnbild für Kasparovs Leidenschaft

Die letzten beiden bedeutungslosen Partien entschied Anand für sich, sehr zum Ärger von Kasparov. Nach der letzten Partie konnte er sich nicht entspannen, sondern dachte darüber nach, wie er Dauerschach erzwingen können hätte. 

Foto und Hintergründe zu der Szene: ChessBase India

Fazit

Mit dem Sieg gegen den immerhin aktuellen Weltranglisten-14. Anand bewies Kasparov, dass er auch mit 62 Jahren konkurrenzfähig bleibt – kämpferisch, reflektiert und von seiner Leidenschaft für das Spiel ungebrochen.

Zum Interview mit Kasparov, mit weiteren Aussagen und entscheidenden Szenen: 

 

Beitragsfoto: Lennart Ootes für St. Louis Chess Club

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