Im 19. „Schachtalk am Sonntag“ begrüßen Michael Busse und Jonathan Carlstedt den österreichischen Großmeister Felix Blohberger. Schon in der Einleitung zeichnet sich ein vielschichtiges Bild des 22-Jährigen aus Wien-Ottakring: 2022 wurde er Großmeister und österreichischer Meister, er spielt in der Bundesliga für den FC Bayern München, arbeitete als Sekundant für den indischen Spitzenspieler Pentala Harikrishna und veröffentlichte Eröffnungskurse bei ChessBase und Chessable.
Zudem betreibt er einen eigenen YouTube-Kanal – bekannt wurde dort Anfang des Jahres ein Video mit dem provokanten Titel „Being a Chess Professional (in Europe) sucks, das sogar von Hikaru Nakamura aufgegriffen wurde.
Vom Spitzenspieler zum Trainer mit breitem Portfolio
Früh im Gespräch wird klar, dass Blohberger seine berufliche Zukunft nicht ausschließlich im Profiturnierschach sieht. Selbst mit einer Elo von 2650 lasse sich kein stabiles Einkommen erzielen – und eine 2700-Marke sei für ihn weder realistisch noch zwingend erstrebenswert. Stattdessen setzt er auf ein breites Standbein: Trainerarbeit mit Schülern vom ambitionierten Amateur bis zu talentierten Jugendspielern, Kursproduktion, Online-Auftritte und eigene Inhalte auf Social Media. Die 2600-Elo-Marke bleibt als sportliches Ziel, doch der Fokus liegt auf langfristiger Perspektive. „Ich will meine Energie lieber in Dinge stecken, die mir Spaß machen und mich auch in zehn Jahren noch tragen können“, betont er.
Sekundant für einen Weltklassespieler
Ausführlich schildert Blohberger seine Zeit als einziger Sekundant für Harikrishna. Neben der Eröffnungsvorbereitung sei es wichtig gewesen, als Gesprächspartner und Ausgleich zum Turnieralltag da zu sein – eine Mischung aus analytischer Arbeit und menschlicher Unterstützung. Besonders das legendäre Tata Steel in Wijk aan Zee sei ein Highlight gewesen. Im Gegensatz zu Weltmeisterschaftsteams mit großem Apparat werde ein solches Engagement für einzelne Topspieler meist ohne großes Budget realisiert.
Spielstile, Blitzschach und Gukesh
In der Runde geht es auch um Unterschiede zwischen klassischen Partien und Schnell- bzw. Blitzschach. Blohberger nennt Beispiele von Weltklassespielern wie Caruana, die sich erst später in schnelleren Formaten verbesserten, und traut auch dem amtierenden Weltmeister Gukesh zu, hier noch deutlich zuzulegen.
Online-Kultur und das Nakamura-Video
Ein Zuhörer erinnert an frühere Online-Blitzzeiten bei chess24 – Anlass für eine kleine Nostalgierunde. Dann zurück zum YouTube-Video: Blohberger habe nicht erwartet, dass es so viel Aufmerksamkeit bekommt. Nakamura habe ihm in vielen Punkten zugestimmt – und sei selbst einer der ersten gewesen, die öffentlich über unzureichende finanzielle Strukturen im Profischach sprachen. Sein eigener Weg zu Twitch und YouTube sei ein Beispiel, wie man als Spitzenspieler neue Plattformen nutzen könne.
Nationalmannschaft, Alekseenko-Debatte und Dortmund-Sieger Blübaum
Ein weiterer Themenblock dreht sich um die österreichische Nationalmannschaft bei der kommenden Team-EM. Neben Routiniers wie Markus Ragger werde erstmals Kirill Alekseenko aufgestellt, der 2022 nach Österreich gewechselt ist. Die Diskussion um Spieler, die nicht aus der eigenen Jugend stammen, habe es im Verband kaum gegeben – man sehe den Neuzugang vor allem als sportliche Verstärkung.
Im Gespräch fällt auch der Blick auf aktuelle Turniere, darunter das Traditionsturnier in Dortmund, das Matthias Blübaum für sich entscheiden konnte. Blohberger würdigt den Erfolg knapp, aber klar: „Blübaum ist das beste Beispiel dafür, dass sich Beharrlichkeit im Spitzenschach am Ende auszahlt.“
GothamChess in Wien
Besonders beeindruckt zeigt sich Blohberger vom Auftritt des US-Streamers „GothamChess“ (Levy Rozman) in Wien. Vor rund 900 Zuschauern erlebte er eine mitreißende Mischung aus Show, Schach und direkter Interaktion. Blohberger wurde von GothamChess als Mitwirkender eingeladen. Ob solche Events ein tragfähiges Geschäftsmodell sein können, bleibe abzuwarten – das Potenzial, neue Zielgruppen zu erreichen, sei aber offensichtlich.
KI und die Zukunft des Schachtrainings
Zum Schluss sprechen die drei über KI im Schach – von kuriosen Showmatches mit Chatbots und LLMs bis zu grundlegenden Fragen: Wird künstliche Intelligenz Schachtrainer überflüssig machen? Blohberger sieht kurzfristig keine Gefahr, da der menschliche Kontakt und die persönliche Anleitung schwer zu ersetzen seien. Langfristig könne sich das ändern, sollte KI menschliche Erklärqualität erreichen.
Nach knapp einer Stunde endet das Gespräch mit einem Ausblick auf kommende Gäste und einer Einladung, Blohberger online zu folgen – ob auf YouTube, Instagram oder über seine Website. Der Talk zeigt einen Großmeister, der seine Rolle im Schach realistisch definiert: als Spieler, der weiter um sportliche Ziele kämpft, und als Trainer und Content-Produzent, der die Strukturen des heutigen Schachs klar analysiert.
Zum Schachtalk: