Am letzten Septemberwochenende startet die Schachbundesliga der Männer in ihre Saison 2025/26 – mit neuen Aufstellungen, ambitionierten Aufsteigern und einem Titelverteidiger im Umbruch. Schon vor dem ersten Zug ist klar: Diese Saison könnte eine der spannendsten der letzten Jahre werden.
Aufstellungen veröffentlicht
Zwar fehlt eine offizielle Wechselliste mit allen Zu- und Abgängen, doch seit Anfang August sind immerhin alle Mannschaftsaufstellungen veröffentlicht, und zwar auf der Seite der Schachbundesliga wie auch im Ergebnisdienst des Deutschen Schachbundes.
Rückblick: Düsseldorfs Meisterstück
Die große Geschichte der vergangenen Saison schrieb der Düsseldorfer SK: Als Aufsteiger stürmte das Team mit 27:1 Punkten zur Meisterschaft – vor Viernheim und dem Seriensieger Baden-Baden. Möglich wurde das durch ein Starensemble aus Ian Nepomniachtchi, Wesley So und der indischen Nationalmannschaft – finanziert durch Hauptsponsor Wadim Rosenstein. Doch für die neue Saison sind die Vorzeichen andere: Rosenstein fährt sein Engagement deutlich zurück, und alle Stars sind weg. Als Neuzugang fällt Schnellschach-Weltmeister Volodar Murzin auf.
Baden-Baden gegen Viernheim: Duell der Giganten?
Wertet man die ersten zehn Spieler pro Mannschaft aus (eingesetzt werden pro Partie immer acht), so ergibt sich folgende Durchschnitts-Elo (Quelle: schachkicker):
An der Spitze dürfte sich der Titelkampf somit zwischen zwei etablierten Schwergewichten entscheiden: OSG Baden-Baden und SC Viernheim, im Vorjahr punktgleich auf den Rängen zwei und drei. Beide Vereine haben nachgelegt.
Baden-Baden verfügt mit Caruana, Firouzja, Anand - dazu Aronian und Keymer - weiterhin über ein Starensemble.
Hinzu kommen Anish Giri, Javokhir Sindarov (aus Düsseldorf) sowie Nihal Sarin vom Hamburger SK. Sindarov war im vergangenen Jahr mit 12 Punkten aus 14 Partien der überragende Spieler der Saison - neben Shootingstar Bennet Hagner, der für die Badener an Brett sieben neun Punkte aus zehn Partien holte.
Screenshot: schachbundesliga.de
Den Neuzugängen stehen die Abgänge von Peter Svidler, Bogdan-Daniel Deac und Sergej Movsesian gegenüber.
Viernheim verstärkte sich mit dem niederländischen Großmeister Jorden van Foreest und freut sich über die Rückkehr von Igor Kovalenko, der nach drei Jahren Armeedienst ins Team zurückkommt. Aus der Aufstellung verschwindet Hikaru Nakamura, der freilich im letzten Jahr kein einziges Spiel absolviert hat.
Mittelfeld
Beim FC St. Pauli hofft man auf mögliche Einsätze von Magnus Carlsen, der im Vorjahr immerhin zweimal zum Zug kam. Zwar kamen mit Nikolaos Theodorou und weiteren Spielern neue Kräfte hinzu – entscheidend dürfte aber sein, wie oft Carlsen tatsächlich spielt. Trotz langfristiger Ambition („In drei Jahren Deutscher Meister“) dürfte der Fokus zunächst auf dem Klassenerhalt liegen.
Dahinter reihen sich traditionsreiche Bundesligisten mit stabiler Besetzung ein. Die Schachfreunde Deizisau (Vorjahr: Platz 4) bleiben mit Doppel-Europameister Matthias Blübaum und Neuzugang Sergej Movsesian (von Baden-Baden) gut aufgestellt. Peter Leko, der ohnehin kaum zum Einsatz kam, taucht nicht mehr in der Aufstellung auf.
Die Schachfreunde Wolfhagen, Aufsteiger aus dem Norden, setzen weiterhin auf ukrainische Spieler. Neu dabei: Yuriy Kryvoruchko und FIDE-Weltmeister Rusland Ponomariov.
Bei Werder Bremen vertraut man auf neue Impulse durch Hayk Martirosyan und Szymon Gumularz. Trotz gestiegener Konkurrenz hält Teamchef Gennady Fish einen Platz unter den Top fünf für realistisch.
Bei Bayern München könnten die Neuzugänge Kirill Alekseenko und Nijat Abasov neuen Schwung ins Team bringen und den Abgang des Iraners Tabatabaei kompensieren.
Die SG Solingen verstärkte sich mit David Navara von Absteiger Mülheim Nord, verliert allerdings Mads Andersen an den FC St. Pauli.
Eine hochkarätige Neuverpflichtung gelang dem SV Deggendorf. Mit dem Weltranglistenfünften Arjun Erigaisi (von Düsseldorf) und Karthik Venkataraman setzen die Niederbayern auf die indische Karte. Das Ziel ist ein Platz im gesicherten Mittelfeld, so der 1. Vorsitzende Johannes Grabmeier.
Der Hamburger SK (Vorjahr: Platz 5) muss den schmerzhaften Abgang von Nihal Sarin nach Baden-Baden verkraften. Immerhin kehrt dafür Bundestrainer Jan Gustafsson nach seinen Ausflügen nach Baden-Baden, Deizisau und Düsseldorf wieder an die Elbe zurück.
Abstiegskampf: Spannung am Tabellenende
Während sich an der Spitze zwei Schwergewichte duellieren, bleibt auch das Tabellenende umkämpft.
Die besten Karten in punkto Klassenerhalt haben wohl der SK Kirchweyhe (mit weiterhin starkem Balkan-Einschlag) sowie der nahezu unveränderte SC Heimbach-Weis-Neuwied.
Auch der USV TU Dresden erreichte zuletzt solide Mittelfeldplatzierungen – dank eines stabilen Kerns an Stammspielern.
Zugzwang München, Aufsteiger aus dem Süden, hat mit Vitaly Kunin und Leonardo Costa zwei starke Neuzugänge verpflichtet. Nach dem Abstieg vor zwei Jahren hat Mannschaftsführer Gerald Hertneck das Ziel klar formuliert: Klassenerhalt.
Die Schachfreunde Berlin, weiterer Aufsteiger aus der Bundesliga Nord, sind Elo-Schlusslicht und daher erster Anwärter für einen Abstiegsplatz.
Medienarbeit mit Luft nach oben
Trotz sportlicher Qualität bleibt die mediale Außendarstellung der Bundesliga ausbaufähig. Nur 5 von 16 Vereinen beantworteten eine offizielle Presseanfrage. Einen gemeinsamen Twitch-Kanal gibt es immer noch nicht, obwohl der Zuschauertrend klar in Richtung Live-Kommentierung und Social Media geht. Positive Ausnahmen sind Viernheim und St. Pauli, die in eigene Medienarbeit investieren – eine zentrale, ligaweite Strategie fehlt jedoch nach wie vor.
Ein Lichtblick: Beim Heimwochenende des FC St. Pauli im Millerntor-Stadion im März war die britische Produktionsfirma Sunset+Vine zu Gast. Im Auftrag von World Chess drehte sie für die „World Chess Show“, die auf YouTube veröffentlicht ist. Über 500.000 Menschen haben Folge 1 und Folge 2 schon angeschaut.
Vorfreude: Zentrale Endrunde in Berlin
Die Saison endet mit einem echten Highlight: Die drei letzten Spieltage finden vom 24. bis 26. April zentral in Berlin statt. Staffelleiter Jürgen Kohlstädt hat das mögliche Endspiel Baden-Baden gegen Viernheim auf den vorletzten Spieltag gelegt – Spannung garantiert.
Fazit: Bühne frei für neue Geschichten
Die Schachbundesliga bleibt das Aushängeschild des deutschen Mannschaftsschachs – ein Treffpunkt für Superstars und Talente. Die Saison 2025/26 verspricht nicht nur sportliche Klasse, sondern auch Spannung an der Tabellenspitze wie am Tabellenende. An den Brettern werden in den kommenden Monaten nicht nur Punkte vergeben – sondern auch Weichen gestellt für die Zukunft der Schachbundesliga.
Foto: Javokhir Sindarov, by Dariusz Gorzinski