Schachtalk #25 – Jubiläum mit Raj Tischbierek

Schachtalk #25 – Jubiläum mit Raj Tischbierek

25 Ausgaben „Schachtalk am Sonntag“ – zum Jubiläum sprachen Jonathan Carlstedt und Michael Busse mit GM Raj Tischbierek über Bundesliga, die Frauenbundesliga, Klassik vs. Freestyle und persönliche Erinnerungen. Der Talk ist als Podcast und auf dem YouTube-Kanal der Chess Tigers nachzuhören.

Der 25. „Schachtalk am Sonntag“ war ein besonderer Abend: Jubiläum, Rückblick und Debatte zugleich. Michael Busse und Jonathan Carlstedt hatten mit Raj Tischbierek einen Gast, der seit Jahrzehnten die deutsche Schachszene prägt – als Großmeister, Chefredakteur, Bundesliga-Spieler und Trainer. Das Gespräch führte durch aktuelle Streitfragen ebenso wie durch persönliche Erinnerungen.


Tradition und Rollenwechsel

Tischbierek sprach über seinen Abschied von der Chefredaktion der Zeitschrift SCHACH und seine neuen Aufgaben beim Deutschen Schachbund. Er betonte, dass es ihm nicht um Rückzug gehe, sondern um einen Rollenwechsel: Weg von monatlichen Redaktionsschlüssen, hin zu vertiefenden Analysen und gezielten Beiträgen. Sein Lebenslauf – DDR-Meister, Großmeister, Bundesliga-Urgestein, Trainer, Schriftsteller – machte deutlich, dass er Schach immer in mehreren Rollen zugleich gelebt hat.


Werbung: Lasker-Monographie von Raj Tischbierek, Band 1 

 

 


Bundesliga im Spiegel

Ein zentrales Thema war die Zukunft der Schachbundesliga.

  • Jonathan Carlstedt brachte den Gedanken ins Spiel, Spieler künftig nur noch für einen Verein in einer Liga auflaufen zu lassen – ähnlich wie im Fußball. Das würde die Identifikation mit den Teams steigern.

  • Raj Tischbierek schätzte diesen Vorschlag als kaum realistisch ein. Er plädierte stattdessen für kleinere Kader und eine Begrenzung internationaler Legionäre, um wieder mehr Gesichter in den Vereinen sichtbar zu machen.

Beide waren sich einig: Die Bundesliga leidet darunter, dass Vereine zwar starke Namen einkaufen, aber zu wenig lokale Bindung entsteht. 


Frauen-Bundesliga: Realität und Ambitionen

Als Trainer der Frauenmannschaft des SC Kreuzberg schilderte Tischbierek die Härte der Liga. Ein Beispiel: das 0:6 gegen die OSG Baden-Baden, gefolgt von einem überraschenden Sieg gegen Rodewisch. Er hob hervor, dass Baden-Baden mit Spielerinnen wie Vaishali oder Divya Deshmukh Maßstäbe setzt. Für Vereine wie Kreuzberg geht es um realistische Zielsetzungen – Klassenerhalt und Entwicklung der Spielerinnen. 


Klassisch und Freestyle – zwei Seiten einer Medaille

Die Runde diskutierte ausführlich das Verhältnis von klassischem Schach und neueren Formaten wie Freestyle oder Esport. Deutlich wurde: Klassische Partien bleiben die Krone des Spiels – reich an Tiefe und Nuancen. Gleichzeitig gewinnen neue Formate an Bedeutung, weil sie Emotionen erzeugen, leichter zu erzählen sind und Sponsoren wie Publikum anziehen.

Tischbierek erinnerte an Botwinniks Befürchtung, dass Schach mit dem Ende der Hängepartien seinen Kern verlieren würde. Für ihn ist das ein Beispiel dafür, dass sich das Spiel immer wieder verändert hat, ohne dabei an Substanz einzubüßen. 

Statt eines Gegensatzes wurde hier ein wechselseitiger Nutzen sichtbar: Wer in offenen, schnellen Formaten wie Freestyle besteht, gewinnt Selbstvertrauen und Kreativität für klassische Turniere. Beispiele aus der Weltspitze – etwa die Entwicklung von Anish Giri oder Vincent Keymer – unterstrichen, dass moderne Varianten eher Brücke als Bedrohung sind.


Medien, Leserschaft und Erzählbarkeit

Ein weiterer Strang drehte sich um die Medien. Michael Busse berichtete von der Leserumfrage der Zeitschrift SCHACH: Der Kern der Leserschaft bevorzugt klassische Partien. Tischbierek betonte jedoch, dass Turniere ohne begleitende Geschichten medial kaum sichtbar seien. Carlstedt unterstrich, wie wichtig es sei, das Spiel so zu erzählen, dass auch Außenstehende „dranbleiben“. Hier trafen sich beide: Qualität im Kern – aber mit mehr Dramaturgie in der Darstellung.


Persönliche Erinnerungen, nüchterne Gegenwart

Tischbierek lockerte die Diskussion immer wieder mit Anekdoten aus seiner Karriere auf – etwa Siege gegen Bareev oder Shirov, an die er gemeinsam mit Uwe Bönsch zurückerinnerte. Dabei wurde deutlich, wie sehr er den langen Atem des Schachs kennt: Wandel ist für ihn nie ein Ende, sondern immer eine Phase. Genau darin sieht er auch die Stärke für die Zukunft.


Fazit

Der Jubiläumstalk machte klar: Klassik bleibt Kern, neue Formate sind Chance. 

Wer tiefer eintauchen möchte: Der gesamte Talk ist als Podcast und auf dem YouTube-Kanal der Chess Tigers abrufbar – ein Jubiläum, das nicht nur zurückblickt, sondern viele Perspektiven für die Zukunft eröffnet.

Leave a comment

This site is protected by hCaptcha and the hCaptcha Privacy Policy and Terms of Service apply.

Bleibe immer auf dem Laufenden

Deine Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuche es erneut.
Deine Anmeldung war erfolgreich.

Newsletter Anmeldung