In der 15. Folge des „Schachtalk am Sonntag“ sprechen Michael Busse und IM Jonathan Carlstedt mit einem Gast, der die deutsche Schachszene über Jahrzehnte hinweg geprägt hat: Großmeister Jörg Hickl. Was folgt, ist ein ehrliches, unterhaltsames und tiefes Gespräch über ein Leben im Zeichen des Spiels – zwischen Reiseschach, Vereinsarbeit und dem strategischen Blick aufs Ganze.
1. Schachreisen und Kreuzfahrten – mehr als Urlaub
Hickl ist nicht nur Großmeister, sondern auch Reiseveranstalter – mit Herzblut. Er organisiert seit vielen Jahren Schachreisen in alle Welt: vom entspannten Wochenende im Harz bis zu Kreuzfahrten durch den Panamakanal. Dabei geht es ihm nicht nur ums Schach, sondern um Gemeinschaft, Begegnung und Erlebnisse. Anekdoten über nächtliche Analysen, lange Gespräche auf Deck und überraschende Duelle mit Einheimischen machen klar: Für Hickl ist das Schachbrett kein Selbstzweck, sondern eine Eintrittskarte zu echter Verbindung.
2. „Einhickeln“ – wenn Spielweise zum Stilmittel wird
Ein Begriff, der sich in der deutschen Schachszene durchgesetzt hat, stammt direkt von ihm: das „Einhickeln“. Gemeint ist eine defensive, strategisch präzise und oft zähe Spielweise, bei der der Gegner mürbe gemacht wird. Was manche als Provokation sehen, ist für Hickl Ausdruck von Klarheit und Kontrolle. In der Folge erklärt er, warum er diesen Stil nie als langweilig empfunden hat – und wie er Gegner dazu bringt, sich selbst zu überschätzen.
3. Schachvereine im Wandel – zwischen Tradition und Zukunft
Hickl spricht offen über die Schwierigkeiten, mit denen viele Schachvereine heute zu kämpfen haben: Überalterung, Nachwuchsmangel, interne Grabenkämpfe. Er kennt die Vereinskultur der 70er und 80er Jahre noch aus erster Hand – und sieht heute vor allem strukturelle Probleme: zu wenig Kommunikation, zu wenig Offenheit. Gleichzeitig ruft er dazu auf, kreativ zu denken: neue Formate, neue Räume, mehr Präsenz – Schach muss raus aus dem Hinterzimmer.
4. „Die Macht der Bauern“ – ein strategisches Manifest
Mit seinem Buch „Die Macht der Bauern“ hat Hickl ein Werk geschrieben, das sich ganz dem unterschätzten Element des Spiels widmet: den Bauern. Im Talk erklärt er, wie Bauernstrukturen Partien prägen, was viele Spieler falsch machen – und warum das Verständnis von Bauern nicht nur für Anfänger zentral ist. Es geht um Dynamik, Kontrolle, Raum – und um die Kunst, aus kleinen Vorteilen große Pläne zu schmieden.
5. Große Namen, große Erinnerungen
Persönlich wird es, als Hickl über Schachlegenden wie Robert Hübner oder Vlastimil Hort spricht. Beide prägten nicht nur seine Generation, sondern auch das Bild des deutschen Schachs weltweit. Hickl erinnert sich an Turniere, Gespräche, Eigenheiten – und daran, was es bedeutet, über Jahrzehnte aktiv zu bleiben. Schach, so zeigt sich, ist nicht nur ein Spiel, sondern auch ein Archiv gelebter Geschichte.
6. Als Nationalspieler in der Bundesliga
Mit Blick auf seine eigene Karriere als deutscher Nationalspieler und Bundesligaakteur erzählt Hickl von Hochzeiten des deutschen Mannschaftsschachs. Er schildert Duelle, Teamdynamiken und die Bedeutung von Zusammenhalt. Auch die Rolle des Geldes kommt zur Sprache – und wie sich die Liga über die Jahre verändert hat. Damals wie heute: Wer im Team erfolgreich sein will, muss mehr mitbringen als nur Elo.
7. Trainer, Talent, Verantwortung
Ein zentrales Thema: die Förderung junger Spieler. Hickl äußert sich klar – zu klaren Methoden, zur Eigenverantwortung der Spieler und zur Gefahr übertriebener Talentzuschreibungen. Er plädiert für nachhaltiges Lernen statt Schnellförderung, für psychologische Reife statt bloßer Eröffnungskenntnis. Für ihn ist der Trainer kein Animateur, sondern ein Sparringspartner – fordernd, fördernd, aber nie dienstleistend.
8. Schach als Bühne für ein ganzes Leben
Was Hickl besonders bewegt: die zeitlose Natur des Schachs. Anders als in körperbetonten Sportarten ist man am Brett nie „zu alt“. Wer will, kann ein Leben lang spielen, schreiben, unterrichten oder organisieren. „Von acht bis achtzig“, sagt Hickl – und meint es genau so. Diese Offenheit ist für ihn kein Nebeneffekt, sondern das eigentliche Geschenk des Spiels.