Rekordseminar im Chess Tigers Training Center Bad Soden

Rekordseminar im Chess Tigers Training Center Bad Soden

Marco Bode: Warum ich nie gegen Felix Magath spielte Reading Rekordseminar im Chess Tigers Training Center Bad Soden 6 minutes

Das Chess Tigers Training Center in Bad Soden hat schon viele hochkarätige Gäste gesehen – allen voran Vishy Anand, der sich hier auf mehrere seiner Weltmeisterschaftskämpfe vorbereitete. Diese besondere Aura ist bis heute spürbar. Das aktuelle Seminar der Chess Tigers erreichte einen neuen Bestwert.: 29 Teilnehmer – Rekord!

Das Seminar wurde von IM Jonathan „Jonny“ Carlstedt geleitet, der die Teilnehmer zwei Tage lang auf eine Reise durch die Feinheiten des Mittelspiels mitnahm. 

Vom Isolani bis zur Karlsbader Struktur

Den Beginn bildeten zwei klassische Bauernstrukturen: das Spiel mit und gegen den Isolani sowie die Karlsbader Struktur. 

Anhand zahlreicher Beispielspartien zeigte Jonny auf, dass aus bestimmten Eröffnungen oft gleichartige Bauernstrukturen entstehen. Diese Strukturen bestimmen dann auch oft die Mittelspielpläne, wie z.B. den Minoritätsangriff in der Karlsbader Struktur. 

Stellungsbeurteilung und Planfindung

Ein Schwerpunktthema bildete die Planfindung, die auf der Beurteilung der Stärken und Schwächen in der eigenen und der gegnerischen Stellung beruht. 

Dabei ging es auch um Grundfragen der Strategie: Wo sind starke und schwache Felder? Welche Figuren stehen gut und welche sollte man verbessern? Welche Figur ist überlastet? Und wo liegen die Angriffsmarken in der eigenen und der gegnerischen Stellung?  Auf welcher Seite greife ich an? (Merksatz: dort, wohin meine Bauernkette zeigt). 

Dabei sollte man aus Sicht von Jonny keine zu hohen Anforderungen an die Planfindung stellen: „Ein guter Plan reicht schon aus – wir müssen nicht den perfekten Plan finden.“ 

Besonders häufig fängt ein guter Plan mit einem Bauernhebel an. "Kein Hebel, kein Plan", zitierte einer der Teilnehmer aus dem Buch "Pump up your rating" von Axel Smith. 

 

Doch auch bei guter Planfindung und starkem strategischen Spiel entscheidet letztlich oft etwas anderes: „Am Ende ist alles taktisch", fasste Jonny treffend zusammen. 

Der Weg ins Endspiel – Faustregeln und Ausnahmen

Besonders lebhaft diskutiert wurde das Thema Abtausch ins Endspiel. Rechenfähigkeit und Visualisierung spielen dabei eine wichtige Rolle. Insbesondere geht es um die Kunst, sich die Stellung vorzustellen, die nach dem Abtausch entsteht - und diese korrekt zu bewerten. Für die Bewertung sind dabei u.a. die Königssicherheit und das Vorhandensein von (möglichst entfernten) Freibauern entscheidend. 

Die Vorlieben der Figuren

Immer wieder kamen die Teilnehmer an der Frage vorbei, welche Vorlieben die Figuren haben. "Die Dame dahin stellen, wo ohnehin die Musik spielt", so Jonnys Tipp. Und etwas spezieller: "....b6-b5 spielt man nur, wenn man die Aussicht hat, dass ein Springer nach c4 kommt."

Dabei ging es auch um die Frage der Wertigkeit von Figuren. Eine Faustregel, die hängen blieb: Zwei Türme oder Dame? "Die Dame ist dann stark, wenn sie den gegnerischen König direkt angreifen kann.“

Faustregeln

Ein besonderes Merkmal des Seminars waren die allgemeinen Merksätze, die Jonny immer wieder anführte und die er gemeinsam mit den Teilnehmern zusammentrug. "Es ist gefährlich, Streit anzufangen, wenn der König noch nicht rochiert hat", lautete eine der Regeln, die zwar alle kennen, die aber doch häufig Vernachlässigung findet.  "Wenn man Entwicklungsvorsprung hat, will man die Stellung öffnen.", lautet eine zweite Regel. 

Allgemein sind solche Faustregeln wertvolle Leitplanken. Zwar führen sie nicht in jeder Stellung zum Erfolg, aber: "Man sollte nicht davon ausgehen, dass man gerade zufällig die Ausnahme auf dem Brett hat.", so Jonnys Ratschlag.

Bedenkzeit im Wandel der Zeit

Ein weiteres Thema des Seminars: die Veränderung durch immer kürzere Bedenkzeiten. Der berühmte Lasker-Satz „Wenn du einen guten Zug siehst, dann prüfe, ob du einen besseren findest“ sei in Zeiten von Blitz- und Schnellschach kaum noch praktikabel, erklärte Carlstedt. Heute müsse man häufiger pragmatische Entscheidungen treffen – und lernen, mit der knapperen Zeit klarzukommen.

Die Bedenkzeit, so der interessante Gedanke, ist ein Teil der Stellungsbeurteilung. Wichtig ist, die Zeit für kritische Stellungen aufzuheben. Jonnys Tipp: Die verbrauchte Bedenkzeit in der Partie mitschrieben und analysieren, an welchen Stellen man Zeit verliert.

Analyse: Mensch vor Maschine

Auch beim Thema Analyse gab Carlstedt klare Empfehlungen: „Die Engine ist nur für Taktik gut – für alles andere lieber mit einem Gegner oder einem stärkeren Spieler analysieren.“

Gerade in Zeiten allgegenwärtiger Computerhilfen ein wichtiger Hinweis, der bei vielen Teilnehmern Nachhall fand.

Gewinnverwertung – eine weitere große Hürde

Ein oft unterschätztes Thema: die Gewinnverwertung. Jonny betonte, dass es genauso schwer sei, einen bereits erarbeiteten Vorteil zum Sieg zu führen, wie überhaupt erst einmal in Vorteil zu kommen. Zahlreiche Partiebeispiele und Übungen machten diesen Punkt deutlich.

Praxisübung: Partie aus Braunschweig

Besonders spannend war die praktische Übung: Die Teilnehmer bekamen eine Stellung aus Jonnys eigener Partie gegen Giorgadze in Braunschweig 2025 zum Ausspielen. So wurde der Theorieblock unmittelbar in gelebte Praxis übersetzt – inklusive aller Überraschungen, die ein „lebendiger“ Gegner mit sich bringt.

Stimmen der Gastgeber

Zwischendurch ergriff Hans-Walter Schmitt, Initiator und Seele des Training Centers, das Wort. Schmitt reduziert sein Engagement für die Chess Tigers schrittweise, versprach aber:„Wenn der da oben will, werde ich dem Schach treu bleiben.“

Auch Sven Noppes, Mitinhaber der Chess Tigers, sprach zur Runde und berichtete über die weiteren Pläne der Chess Tigers für künftige Seminare. Auch die Frage nach dem grenke-Schachturnier in Karlsruhe durfte natürlich nicht fehlen. Mit Blick auf die Finanzierung konnte Noppes nichts versprechen, bekannte aber: „Ich werde alles dafür tun, dass diese Veranstaltung stattfindet.“

Feedback: Sehr gut

Durchschnittsnote 1,27: Der Feedbackbogen erbrachte einen sehr guten Wert, der allenfalls durch die Kategorie "Platzangebot" (Note 1,86) etwas getrübt war.  Den besten Wert erreicht Carlstedt in der Rubrik "Erläuterungen des Trainers": Note 1,06. 

Ausblick: Hochkarätige Fortsetzungen

Die Serie in Bad Soden geht nahtlos weiter – und auch die kommenden Seminare versprechen Top-Training auf Weltklasseniveau:

  • 1./2. November: GM Artur Jussupow – „Aus Sicht der Weltmeister“

  • 20./21. Dezember: GM Michael Prusikin – „Vorteilsverwertung“

Damit setzt das Chess Tigers Training Center seine Tradition fort, praxisnahes und zugleich hochkarätiges Training zu bieten. 

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