Nachrichten Das Geheimnis meines Erfolgs: Interview mit GM Vishy Anand, dem Blindschach-König von Monaco
01.04.2005 - Tim Relta, Chess Tiger Analyst und Korrespondent in Monaco, sprach mit GM Vishy Anand über seine jüngsten Erfolge beim "14. Amber Rapid and Blindfold Chess Tournament". GM Vishy Anand bewies wieder einmal mehr, dass er unter den Großmeistern seines Sports eine Ausnahme-Position einnimmt, denn er hatte das Turnier in Monaco zum wiederholten Male gewinnen können.
Relta: Mr. Anand, weshalb haben Sie in Ihrem Terminkalender
immer einen freien Platz, wenn das Amber-Turnier in Monaco stattfindet?
Anand: Das Geheimnis meines Erfolges stammt von
der indischen Brahmanen-Kaste
Anand: Das Turnier liegt geographisch fast genau auf halbem Weg
zwischen Linares in Spanien und den Deutschland-Turnieren in Dortmund
und Mainz, das macht die Reiseplanung etwas einfacher. Ausserdem
überzeugt mich mein guter Freund Joop Oosterom immer wieder mit einem
guten Angebot, an diesem Turnier teilzunehmen.
Relta: Das Turnierformat umfasst jeweils eine
Schnellschachpartie und eine Blindpartie. An das
Schnellschach haben Sie sich ja mittlerweile gewöhnt, was Ihre
Seriensiege bei den Chess Classic in Mainz beweisen. Wie aber bereiten
Sie sich auf eine Blindpartie vor? Gibt es dafür ein spezielles
Training?
Anand: Ja, hier benutze ich eine besondere Form der
transzendellen Meditation, so wie es in Indien bei den Brahmanen
schon immer praktiziert wird. Sie müssen wissen, daß meine Familie und
ich dieser traditionell höchstgestellten Kaste der Priester
und Gelehrten, angehören, so etwas verpflichtet natürlich auch im Schach.
Relta: Was ist denn genau das Geheimnis der brahmanischen
transzendellen Meditation - bezogen auf das Blindschach?
Anand: Das Kastenwesen und damit auch die Brahmanen im
speziellen funktionieren auf der Basis einer individuellen und direkten
Wahrnehmung, also auf Kommunikation im eigentlichen Sinne. In der Tierwelt
gibt es ja eine ganze Reihe von biologischen Tierstaaten, wie z.B.
Ameisen, Termiten und Bienen. Deren Verhalten und Kommunikation wird
durch Pheromone gesteuert, das sind Duftstoffe, welche die einzelnen
Gegenstände oder Tiere ausscheiden.
Relta: Können Sie das noch einmal genauer erklären?
Anand: Pheromone, dieses Wort stammt leider nicht aus dem
indischen Sanskrit sondern aus dem altgriechischen
und bedeutet "übermitteln" und "bewegen", es sind also Duftstoffe, die der unterbewussten biochemischen Kommunikation zwischen den Lebewesen einer
Spezies dienen.
GM Vishy Anand beim Interview: Das Spezial-Blind-Schachbrett
-
"Es fiel mir wie Schuppen von den Augen"
Relta: Gilt das auch beim Schach? Die Figuren arbeiten ja wie
eine Armee, also wie in einem militärischen Staatsgebilde, zusammen?
Anand: Natürlich gilt das auch beim Schach. Als wir Inder das
Schachspiel vor vielen Jahrhunderten erfunden hatten, waren die Figuren
wie eine Armee im Sinne eines militärischen Gebildes konzipiert. Und als
das Schachspiel von den Brahmanen, der Kaste der Gelehrten, weiter
entwickelt wurde, haben die Brahmanen das Phänomen der Pheromone
hinzugefügt. Nach diesem Konzept haben alle eigenen und gegnerischen
Figuren einen besonderen charakteristischen Erkennungs-Duft. So erkennen
wir Brahmanen immer am Duft, welche Figur auf welchem Feld gerade steht.
Das ist natürlich besonders bei einer Blindschachpartie von
ausserordentlichem Vorteil.
Peter Leko mit Adjudantin
Relta: Besitzen andere Großmeister, wie z.B. Wladimir Kramnik,
auch über diese pheromone Erkenntnis beim Blindschach?
Anand: Ach wo her. Wladi (GM Wladimir Kramnik aus Russland, d.Red.) könnte
nicht einmal ein Glas Wasser von einem Glas Wodka unterscheiden, so
wenig sind seine pheromonen Fähigkeiten ausgeprägt. Das hat er ja
natürlich auch wieder in seiner Blindpartie gegen meinen guten Freund
Francesco Vallejo bewiesen, als dieser mit seinen schwarzen Figuren
seine Dame regelrecht umzingelte und dann mit einem einzigen läppischen Bauernzug
auf g3 Kramniks Dame gewann. Ich hätte diese Umzingelung schon auf 10 Meter
Entfernung gerochen - aber Wladi?
Relta: Im Verlauf des Turniers zeigten Sie jedoch beim
Blindschach ungewohnte Nachlässigkeiten. Sie spielten ausschliesslich
auf den Zentrumsfeldern und vernachlässigten immer die äusseren
peripheren Felder
des Brettes. War das Absicht?
Anand: Nein, überhaupt nicht. Was sie wissen müssen, ist die
neueste Regel beim Blindschach.
Je nach Auslosung jubelt der
Turnierveranstalter den mit verbundenen Augen spielenden Schachspielern ein
anderes Schachbrett unter - das bemerken wir ja überhaupt nicht.
Und so kam
es, dass ich plötzlich auf einem Brett mit diagonalen
Schwarz-Weiss-Feldern und einem rechteckigen anstelle eines
quadratischen Brettes spielen musste. (Anand deutet auf den Tisch mit
dem speziellen Blind-Schachbrett).
Hans-Walter Schmitt zu Carmen Kass: "Und wenn wir
dann ganz unter uns sind, zeige ich Dir ein paar besondere
Eröffnungs-Tricks"
Mein Gegner Peter Leko bekam bei
Partiebeginn von seiner attraktiven ungarischen Adjudantin etwas über
dieses geheimnisvolle Schachbrett ins Ohr geflüstert, aber da ich die
ungarische Sprache nicht verstehe, wusste ich überhaupt nicht, worum es
ging. Am Ende fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen.
Relta: Machen wir einmal einen Szenen-Wechsel.
Auch die Chess
Classic Mainz gehört mittlerweile zu Ihrem festen Turnier-Programm.
Passen denn die vielen Sieger-Jackets noch in Ihre Kleiderschränke, sie
haben ja mittlerweile eine ganze Reihe davon?
Anand: Darum kümmert sich meine Frau Aruna. Sie sorgt dafür,
dass sie immer frisch und adrett ausschauen.
Und dann ziehe ich die Jacketts auch
gerne zu den Turnier-Empfängen an, denn bei den vielen hübschen Damen,
die der Turnierdirektor Schmitt in den letzten Jahren immer nach Mainz
einlädt, müssen wir Grossmeister ja eine gute Figur machen. Peter Leko,
Peter Svidler
und ich, wir schaffen das mittlerweile mit links, die anderen sind noch
am üben.
Vishy Anand zu Peter Svidler: "Nimm Dich in Acht
vor Schmitt!
Der verrät unsere geheimen Eröffnungs-Tricks an Carmen Kass....
Relta: Ich dachte immer, in Mainz sollten die besten
Schachspieler im Rapid-Chess und im Chess960 antreten?
Anand: (Seufzt)Ach, das war einmal. Letztes Jahr hat Schmitt
wirklich übertrieben und mit Carmen Kass ein Foto-Model - ich
glaube die war mal so was wie "Vogue Model of the Year", eingeladen.
Und dann hat er ihr heimlich Schachunterricht gegeben und ihr meine
geheimen Eröffnungstricks verraten - nur damit sie nicht nur optisch
eine gute Figur macht sondern mich auch gar am Schachbrett vorführen
könnte.
Aber dem Schmitt ist eben alles zuzutrauen. Der ist lieber Hahn im
Korb bei den hübschen Damen. Das kommt eben davon, wenn man immer älter
wird. Wie heißt das noch mal in Eurer deutschen Sprache?
Hans-Walter Schmitt: Hahn im Korb bei den
hübschen Damen
Relta: "Je oller desto doller..."
Anand: Ach sooo (schmunzelt)
Relta: Herr Anand, vielen Dank für dieses Gespräch. Auf
Wiedersehen in Mainz.
Tim M. Relta führte dieses Interview am 1. April 2005 auf der
Rückreise von Monaco nach Mainz.