Unterhaltung Die Macht der Bauern, Zeit-Schachspalten, Der Schachtherapeut
09.05.2009 - Heute möchten wir Ihnen drei Bücher ans Herz legen, die es verdient haben, Ihre Schach-Bibliothek zu bereichern. Den Anfang macht „Die Macht der Bauern“ von GM Jörg Hickl, IM Erik Zude und Uwe Schupp gefolgt von „Zeit-Schachspalten“ von GM Dr. Helmut Pfleger. Und zum Abschluss servieren wir einen absoluten Geheimtipp quasi aus den unendlichen Tiefen der Schachpsychologie: „Der Schachtherapeut“ von Manfred Herbold. Wie Ihnen sofort aufgefallen sein wird, ist keines der Werke ein Eröffnungsbuch, welches mit Pech in einem halben Jahr schon nicht mehr aktuell ist. Der eine oder andere Autor wird Ihnen bekannt sein, andere Namen lesen Sie heute vielleicht zum ersten aber garantiert nicht zum letzten Mal.
Die Macht der Bauern Strukturen, Pläne und Ideen
für Vereinsspieler
GM Jörg Hickl, IM Dr. Erik Zude und Uwe Schupp, gleich drei Namen auf einem Cover für ein Lehrbuch, das deutet auf ein Chaos an Meinungen und Varianten hin, nach welchen uns Vereinsspielern der Kopf rauchen wird. Weit gefehlt. lieber Leser! Als Kopf des Teams hat sich der ehemalige Deutsche Meister Hickl in seinem Erstlingswerk ganz bewusst für ein Buch entschieden, welches nicht der Weisheit letzter Schluss sondern eine Stütze für jeden ambitionierten Amateur im Umgang mit seinen Bauern sein soll.
Die nötigen Erfahrungen im Umgang mit Amateurspielern sammelte Jörg Hickl in den zehn Jahren, die er nunmehr schon Schachreisen organisiert und selbst leitet. Statt sich von den ewig gleichen Fragen der Nicht-Meister nerven zu lassen, hörte er zu, lernte und schaffte es tatsächlich, sich in sie hineinzuversetzen. Besonders fiel ihm dabei auf, dass allgemein das Verständnis für den Umgang mit Bauernstrukturen und das Wissen, wie man Stellungen richtig bewertet, fehlt.
Auf kompakten 183 Seiten und in 65 kompletten Partien auch aus der eigenen Praxis wird zunächst darauf eingegangen, wie Läufer, Springer und Türme von der Struktur der Bauern beeinflusst werden. Im zweiten Teil erklären die Autoren die gängigsten Bauernstrukturen und wie man mit Ihnen umgeht oder gegen sie spielt. Das ist natürlich nichts Neues, doch die Tatsache, dass mehr mit Worten und weniger mit unendlichen Variantenbäumen gelehrt wird, macht das Lesen und Lernen gleich von Beginn an zu einem regelrechten Vergnügen.
Sehr sympathisch ist, dass sich der Großmeister nicht scheut, auch selbst erzeugte Fehler zu präsentieren. Aussagen wie „Gier, Euphorie, Leichtsinn oder Zeitnot – die Lehrer sind nicht immer die besten Schüler“ oder „Diesen Vorstoß, der die ganze Zeit nicht möglich war, hatte ich nicht ausreichend gewürdigt! Die typische Ausrede eines Schachspielers, oder? In Wahrheit habe ich ihn gar nicht gesehen!“ vermitteln das Gefühl, nicht vom hohen GM-Ross sondern auf Augenhöhe mit Wissen, Ratschlägen und Erfahrungen bedient zu werden. Statt den Leser mit geballtem Know-how zu überfordern, richtet sich das Buch an Spieler mit einer Spielstärke von DWZ 1300 bis 2200. Prädikat: Wertvoll!
Erschienen ist das Buch im Schachreisen Verlag als Paperback und kostet inklusive Versand € 22,90. Bestellen kann man es beispielsweise bequem über die Homepage von Jörg Hickl:
www.joerg-hickl.de
Dort können Sie sowohl weitere Rezensionen beispielsweise von den bekannten Schachjournalisten FM Harald Fietz (Schachmagazin 64) und FM Harry Schaack (KARL) finden, sich eine Leseprobe genehmigen und sogar sämtliche Partien, die in dem Buch besprochen wurden, nachspielbar herunterladen. Letzteres ist ein Service, der unbedingt Schule machen sollte. Bravo!
Zeit-Schachspalten 120 amüsante Aufgaben
mit überraschenden Lösungen aus
DIE ZEIT
Der Autor unseres nächsten Buches bedarf wohl keiner besonderen Vorstellung, denn sein Name taucht in Verbindung mit dem königlichen Spiel so oft auf, dass man ihm einfach schon mal begegnet sein muss. Erlauben Sie mir dennoch, ein paar Worte über ihn zu verlieren, bevor wir uns seinem jüngsten Werk zuwenden.
GM Dr. Helmut Pfleger zuzuhören, wenn er über Schach spricht, ist vergleichbar mit Reiner „Calli“ Calmund, wenn dieser über Fußball oder Essen referiert. Selbst auf die einfachste Frage haben beide stets einen halben Roman als Antwort parat, ohne jedoch dabei zu langweilen. Eine Kunst, die nur ganz Wenige in dieser Perfektion beherrschen, weshalb der eine nicht aus der Fußball- und Gourmet- und der andere nicht aus der Schachszene wegzudenken ist. Mit einem bunten Potpourri aus Schachwissen, Schachgeschichte und Humor weiß der hauptberufliche Internist und Psychotherapeut mit eigener Praxis seit über 30 Jahren, das Schachpublikum in nahezu allen Medien zu unterhalten.
Besonderer Beliebtheit erfreut sich dabei auch seine allwöchentliche Schachspalte in DIE ZEIT, in welcher er dem geneigten Leser seit schier unglaublichen 27 Jahren eine Aufgabe aus der aktuellen Turnierpraxis stellt, die recht einfach aber auch mal schön kniffelig sein kann. Doch Pfleger wäre nicht er selbst, wenn das nicht stets mit einer kleinen Geschichte oder Anekdote einhergehen würde. Von bösen Zungen als „Märchenonkel“ geschmäht, weiß Pfleger ganz genau um seine vermeintliche Schwäche und nutzt sie seit je her als das, was sie tatsächlich ist, seine Stärke. Seine Schachspalte jedenfalls ist so beliebt, dass er nun schon den fünften Sammelband mit 120 Aufgaben und Geschichten herausgebracht hat. Zusammengefasst wurden die Beiträge aus den Jahren 2005 bis 2008. Völlig einerlei ist hier die Spielstärke, denn es wird nicht das Schachspielen verbessert sondern auf hohem Niveau kurzweilig unterhalten und damit bewiesen, dass Schach nicht nur aus Theorie, Varianten und Analysen besteht. Prädikat: Perfekte Bettlektüre mit Niveau
Erschienen ist das Buch bei dem Verlag EDITON OLMS / Praxisschach als Paperback und kostet dort € 16,80. Der ehemalige Bundespräsident und bekennende Schachfan Richard von Weizsäcker trug ein kurzes Geleitwort bei.
Kennen Sie Manfred Herbold? Schämen Sie sich nicht, er kennt Sie dafür umso besser! Glauben Sie etwa nicht? Ist aber so! Denn er ist der Schachtherapeut und damit Hauptdarsteller in seinem gleichnamigen Erstlingswerk. Wann immer Sie rund um das Schachspiel mit sich und Ihren Gegnern hadern, fast immer hat er einen Platz auf der Ledercouch in seinen extrem geschmackvoll eingerichteten Praxisräumen für Sie frei. Wenn nicht just Herr Lobrehd, die Mensch gewordene Verkörperung sämtlicher Probleme, die ein Schachspieler so haben kann, seiner vollen Aufmerksamkeit und Heilkunst bedarf.
Herrlich überspitzt und doch so schonungslos wahr erzählt der Schachtherapeut von seinem täglichen Umgang mit Schachspielern, die aus allen möglichen Gründen an ihrem geliebten Spiel und damit auch an sich selbst zweifeln. Seien es die Komplexe gegenüber einem stärkeren Gegner, die Unsicherheit im Spiel gegen eine (schöne) Frau, die ständige Angst zu patzen, die oft einhergeht mit der berühmten Schachblindheit oder gar die Verwirrung, wenn die Vereinskameraden plötzlich etwas spielen, das sich Chess960 nennt, immer weiß der Schachtherapeut binnen kürzester Zeit einen Rat, welchen er – natürlich stets aus dem Stehgreif – gerne noch mit einer oder auch mal zwei Beweispartien krönt. Kaum ein Patient, der nicht vollkommen gesundet die Stätte seiner Heilung verlässt und schon bald in einer ähnlichen Situation – dem Therapeuten sei dank – seine Ängste überwindet und sich wieder des erfolgreichen (Schach-)Lebens erfreut.
Ihr Schachtherapeut bei der Freiluftheilung und einem natürlich alkoholfreien Bierchen
Wer jetzt aber denkt, wir wollen Ihnen hier nur ein witziges Büchlein andrehen, welches sich halt zufälligerweise mit Schach befasst, der ist schief gewickelt. Manfred Herbold (Elo 2157) versteht durchaus so viel vom Schach, dass ihm sogar Meisterspieler hohen Respekt zollen und ich könnte wetten, einige von Ihnen lagen mehr als ein Mal selbst auf seiner Couch. Was uns Herbold zu sagen hat, ist bei allem Humor reine, hochkonzentrierte Medizin für uns alle! Und sei es nur in Form der heilenden Erkenntnis, dass wir mit unseren scheinbar persönlichen Problemen in Wahrheit nicht allein sind. Und selbst wenn einem beim Lesen ganz selten doch mal das Gefühl beschleichen sollte, dass die eine oder andere Sitzung vielleicht doch nur der Phantasie des Autors entsprungen sein könnte, zu lachen hat man allemal etwas und wir wissen doch alle: Lachen ist gesund!
Diese Karikatur von François-André Danican Philidor aus der Hand von Fränk Stiefel hätte prima auch in das Buch "Die Macht der Bauern" gepasst!
In 20 Kapiteln heilt der Schachtherapeut selbst, danach lässt er noch ausführlich seine Patienten und Kollegen, die sich im Gästebuch seiner Praxisräume im Internet verewigt haben zu Wort kommen. Ein besonderes Highlight sind die zahllosen Karikaturen, die allesamt wie auch das komplette Layout von dem Grafiker und Schachcartoonisten Fränk Stiefel stammen. Das Buch kommt im edlen Hardcover daher, kann nur beim Autor selbst per Email erworben werden und kostet inklusive Versand runde und seelisch gut verkraftbare € 16,-. mherbold@gmx.net
Prädikat: Purer Balsam auf der geplagten Schachseele
Band 2 „Der Schachtherapeut – Reloaded“ und Band 3 „Der Schachtherapeut – Revolutions“ sind bereits in Planung.