Chess960 Die neue Weltrangliste Chess960 Vassily Ivanchuk mit IPS 2818 jetzt vor Anand und Kamsky mit jeweils IPS 2815
04.09.2007 - "Unanständig", "Unverschämt", "Unglaublich", wie kann man bei solchen Rahmenbedingungen mitten in der Woche - Donnerstag und Freitag - ein Qualifikations-Turnier von dieser Güte veranstalten? 280 Teilnehmer, insgesamt 117 Titelträger, davon 63 Großmeister, 29 Internationale Meister, 24 Fide-Meister, der Top10-Durchschnitt ELO 2717, der Top20-Durchschnitt ELO 2686 und der Open-Median 2214. Wenn man dann die WM-Spieler Anand, Aronian, Bacrot und Kasimdzhanov noch dazu addiert, liegt die Vermutung nahe, dass dem Chess960 von seinen Liebhabern eine kräftige Bahn gebrochen wird. Die FiNet AG aus Marburg hat diesen Trend schon vor fünf Jahren vorausgesehen oder ist es einfach nur der "Urtrieb" wieder Schach spielen zu können - auch für "Wenigzeitinhaber"?
Der Ritterschlag durch die Nr.1 der Weltrangliste, Viswanathan Anand aus Indien, hat mit dem packenden Finale gegen den amtierenden Chess960-Weltmeister Levon Aronian dafür gesorgt, dass selbst eingefleischte Hardliner der Chess960-Position 518 - oder Chess1 genannt - am Sonntagabend beim traditionellen Schach für einen Moment in ein traumatisierendes Seelenchaos stürzten, wollten Sie doch, dass die Protagoniosten nicht das Marshall-Gambit bis zum 21.Zug im Sekundentakt heruntertrommeln und dann nach zehn weiteren Zügen das Remis leistungsgerecht vereinbaren.
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Viel zu heftig waren die Emotionen, die die beiden Spieler im Finale der 5.FiNet World Championship am Donnerstagabend auf der Bühne in ihren 6 Partien bei den Zuschauern im Auditorium freisetzten. Ein hochkonzentrierter Neuling des Chess960, kein Geringerer als der Beste der Weltrangliste und Schnellschach-Weltmeister, Viswanathan Anand, glaubte doch wirklich im Sturm auch den Chess960-WM-Titel zu erobern gegen den allerbesten Chess960-Spieler auf diesem Globus, Levon Aronian aus Berlin - vier Jahre Kampferfahrung haben den Armenier beim doppelten Ansturm auf den WM-Titel gegen Peter Svidler gestählt.
Kurzchronologie eines fantastischen WM-Kampfes
Der Kampf an diesem Werktag donnerstags bot alles, was den Herzschlag explodieren oder das Blut in den Adern gefrieren lässt. 1.Partie: Vishy spielt groß auf, kommt in Vorteil, aber schläft bei der Suche nach dem Gewinnweg ein - unglaublich, die Fans des Königstigers sind geschockt, 1:0. 2.Partie: Vishy kämpft, spielt schnell und druckvoll, der Weltmeister hält alles unter Kontrolle, Remis. 1,5:0,5. 3.Partie: Levon zelebriert Chess960 vom Allerfeinsten und bringt den schwarzspielenden "Tiger von Madras" in eine ausweglose Position, doch der befreit sich, wie von Geisterhand gelenkt erzwingt er eine vorteilhafte Position. Und diesmal ist es Levon, der die Partie im letzten Moment remis halten kann - großes Schach, großes Kino, aber das Beste kommt noch. 2:1. 4.Partie: Eben fast aus der Kurve geflogen, setzt jetzt der schwarzspielende Levon mit einem Knaller-Bauernopfer die Akzente und der weiße König muss im 4.Zug nach d2, - ist das Romantik? - , wissen die beide denn überhaupt, wo das enden kann, wird, soll. Offenes Visier, Knalleffekte, den Zuschauern stockt der Atem, später wünschen sie sich, dass dem wildentschlossenen Königstiger der Ausgleich gelingt. Filigran mit subtilen Nadelstichen bearbeitet der Inder den auf der "Werkbank" angeschnallten Armenier, - der Lh8 stand sooooo schlecht! -, und gewann tatsächlich schießlich. Der Beifall wollte nicht enden, hatte doch das Publikum quasi die Verlängerung erzwungen. 2:2.
Stechen: Zwei Partien: 5min/+5s werden entscheiden, bei Remis weitere zwei Partien, bei erneutem Remis, "Sudden death". Kaum hatten sich die Gemüter der Zuschauer aus der Nervenschlacht wieder begonnen sich zu legen, stand schon wieder das Brett in Flammen und "Tricky-Levon" schraubte der Nr.1 der Welt mit einer Springergabel die Dame 'raus. Wieder 1:0 für den Titelverteidiger und Vishy probierte es in der zweiten Partie mit einer gewissen Stoik, doch das Anrennen nach der verschlafenen 1.Partie dieses denkwürdigen Tages ließ bei ihm sicher die Kräfte schwinden, Levon erzwang das Remis und bleibt Weltmeister. Die Emotionen kochten hoch, ein wahrlich berechtigter Sieger und ein zufriedener, redseliger Gewinner und ein total müder - ein berechtigt enttäuschter Zweiter - so muss es sein, wenn wir um "Nichts" als den WM-Titel im Chess960 in Zukunft jeden Sommer spielen. Wir freuen uns, auf den nächsten Gladiatorenkampf.
Fazit der Entwicklung des Chess960
Wenn wir uns exakt die jetzige Weltrangliste der FIDE III/2007 angucken, dann können wir feststellen, dass bereits 6 der Top10, 13 der Top20 und 29 der Top50 dieses Spiel "Chess960" für sich akzeptieren und im Vergleich zum traditionellen 518 sieht das garnicht so schlecht aus. Hier sind die Zahlen zum Vergleich: 9 der Top10, 17 der Top20 und 36 der Top50, die bereits bei der Chess Classic ihre Visitenkarte abgegeben haben. Kein Grund also für die Jugendleiter den Kindern U14 das Chess960 zu verbieten als "Teufelszeug" anzuprangern, das den Charakter verdirbt und den Geist benebelt oder für Ehrenmitglieder mit Austritt aus dem Verein zu drohen, wenn im Clubabend alle vier Wochen mal ein Chess960-Turnierchen gespielt wird! Wir alle wissen auch wie Weltmeister "Mikhail Botvinnik" zum Schnell- und Blitzschach stand, trotzdem ließ sich der Schnellschachtrend nicht aufhalten, auch wenn man krampfhaft versucht kein "Rating" dafür zu vergeben.
Die Weltrangliste Chess960 hat sich von 554 auf 770 erhöht, Ivanchuk mit IPS (Individual Player Strength) 2818 führt die September-Liste vor den punktgleichen Anand und Kamsky mit 2815 an, vor Weltmeister Aronian mit 2800 und dem Ex-Führenden Bacrot mit 2781, jetzt 2761 und Morozevich mit 2737. Hinweis: die IPS wird nach ähnlichen Kriterien der DWZ & ELO (Deutsche Wertungszahl und nach dem Erfinder Prof. Arpad Elo) ermittelt. Bei der erstmaligen Auswertung wird die höchste der internationalen oder nationalen Elo-Zahl in das Wertungssystem importiert und dann immer auf dessen neuer Basis weiter verwendet - es gibt aber keine Systembrüche, wie beim Elo oder bei den mannigfaltigen nationalen Wertungssystemen. Man kann die IPS getrost auch "Internationale Player Strength" nennen.