Chess960 GM Alexander Donchenko ist Deutscher Chess960 Meister Trotz Umzug purzeln sämtliche Rekorde
12.09.2017 - Am 13. August fand die 5. Deutsche Meisterschaft im Chess960 Schnellschach statt und brach alle Rekorde ihrer Vorgängerinnen. Dabei war der Spielort Wiesbaden-Biebrich in unmittelbarer Nähe zum herrlichen Schlosspark aus der Not geboren. Einst aus dem bekannten Chess960 Open des SC Waldbronn hervorgegangen erfreute sich das nationale Championat im „modernen Schach“ stetig wachsender Beliebtheit und lud auch unkundige Anhänger des traditionellen Schachs zu ersten Berührungen mit Chess960 ein. Doch in diesem Jahr mussten sich die Verantwortlichen im malerischen Waldbronn der schwindenden Manpower und dem geringeren Sponsoring beugen und ihr Turnier ausfallen lassen. Als Stammgast und Chess960-Förderer der ersten Stunde, Hans-Walter Schmitt, im April davon erfuhr, sprang er kurzerhand in die Bresche...
Das Organisieren unter Druck hat der Vorsitzende des Chess Tigers Fördervereins halt in den Genen, wenngleich er nach den legendären Chess Classic Events in Frankfurt und Mainz bis 2010 heuer hauptsächlich als Trainer und Geschäftsführer des Chess Tigers Training Centers in Bad Soden am Taunus ausgelastet ist. In Sachen Spielmaterial und tatkräftige Helfer sind die Chess Tigers jederzeit in der Lage, binnen kürzester Zeit Schachturniere beinahe beliebiger Größe zu organisieren, und mit Hans-Dieter Post steht einer der besten Turnierleiter des Landes jederzeit für eine verrückte Aktion zur Verfügung. Für Sponsorensuche blieb indes keine Zeit mehr - das übernahmen die Chess Tigers und mit einer bravourösen Aktion auch der Wiesbadener Schachverein 1885. Kostenlos stellten die Wiesbadener ihr Jeanne-Schütz-Haus zur Verfügung, wo sonst der Verein und das beliebte Schlosspark Open beheimatet sind.
Nachdem mit dem letzten hessischen Ferientag ein passender Termin gefunden war, stellte sich lediglich die bange Frage, ob sich so kurzfristig noch genügend Klasse, aber natürlich auch Masse motivieren lassen würde. Sämtliche Bedenken zerstreuten sich nach und nach, als sich in beiden Bereichen alsbald Erfreuliches tat. Mit GM Vlastimil Hort, GM Klaus Bischoff, GM Alexander Donchenko und IM Vincent Keymer stellten gleich vier Schachgenerationen die zuvor erhoffte Prominenz dar. Extra aus den Niederlanden kam gar GM Erik van den Doel und deute damit an, dass mit mehr Vorlaufzeit noch mehr (starke) Spieler gekommen wären. Letztlich traten 98 Spieler /-innen an. Leider kamen einige Vorangemeldete nicht und verhinderten so dieses Mal noch die Dreistelligkeit.
Das Schachliche ist im Grunde rasch berichtet. Obwohl der Endstand mit vier punktgleichen Spielern an der Spitze für totale Hochspannung spricht, kann man Alexander Donchenko durchaus als souveränen Sieger bezeichnen. Der nach Arkadij Naiditsch und Falko Bindrich bisher drittjüngste deutsche Großmeister aller Zeiten „startete“ mit 5 aus 5 und machte damit klar, dass er bei Punktgleichheit am Ende die bessere Fortschrittswertung haben würde.
Die Schlussrunde – vorne schlug GM Klaus Bischoff FM Christian Schramm; im Hintergrund remisierten FM Johannes Carow und GM Alexander Donchenko
Klaus Bischoff und FM Johannes Carow bemühten sich nach Kräften, irgendwie die Nase vor den kommenden Spitzenspieler zu bekommen, doch Donchenko konnte mit zwei Remisen austrudeln und sich den Titel nebst 500,- Euro Siegprämie sichern. Nicht zum ersten Mal musste Bischoff nach Wertung mit Rang 2 Vorlieb nehmen, allerdings konnte er sich 2014 bereits Deutscher Chess960 Meister nennen. Starker Dritter wurde Johannes Carow, der einst noch als Junior das „Mini FiNet Chess960 Open“ der Chess Classic Mainz 2009 gewann.
GM Vlastimil Hort kämpfte erfolglos mit der Uh
2006 an gleicher Stätte errang Vlastimil Hort im Match gegen Lajos Portisch den WM-Titel der Senioren im Chess960, und so reiste er als Favorit auf den nationalen Titel an. Aber er kam mit der Bedenkzeit beziehungsweise dem 5 Sekunden-Bonus nicht zurecht. Nutznießer war IM Yuri Boidman, der sich nun Deutscher Seniorenmeister im Chess960 nennen darf. Als Hort in der dritten Runde gegen den jungen Dirk Becker die Zeit überschritt, zeigte der liebenswerte Meister sein Klasse, indem er zwar etwas fluchte, seinen Ärger jedoch nicht am Gegner ausließ. Dabei hätte er gar nicht mal Unrecht gehabt. Mit nur noch 2 Sekunden auf Horts laufender Uhr bot Becker die Punktteilung an, und sogleich zeigte die Uhr nur noch Nullen – Hort hatte auf Zeit verloren. Kein Schiedsrichter hätte es gewagt, einem Protest der Legende nicht stattzugeben, besagt die Regel doch in etwa, dass man nur Remis bieten darf, bevor man nach einem Zug die Uhr drückt. In der Mittagspause besprachen Hort und Schmitt den Vorgang nochmals, worauf ein Zuhörer möglicherweise etwas nassforsch einwarf, so ein erfahrener Spieler müsse doch damit klarkommen. Das Hortsche „Junger Mann, das hat mit Erfahrung nicht zu tun. Falsch bleibt falsch!“, ist natürlich richtig.
Ansonsten gibt es keine besonderen Vorkommnisse zu berichten, die es bei traditionellen Schachturnieren nicht auch gibt. Soll heißen, dass die angeblich komplizierten Rochaderegeln beim Chess960 in Wahrheit kein Problem darstellten. Wer zum ersten Mal ein derartiges Turnier spielt, trifft mittlerweile auf so viel Experten, welche routiniert erklären können, worauf man achten muss. Was man denn beim Fischerschach und den Rochaden beachten müsse, lautet die häufige Frage. „Seit den wunderbaren Chess960-Lektionen der Chess Tigers Universität sprechen wir von der g- und der c-Rochade, weil dort stets der König landet. Und übrigens heißt es nicht Fischerschach sondern Chess960! Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt. Niemand möchte Bobby Fischer die Idee stehlen, doch es gibt nachweislich eine beachtliche Zahl Schachspieler, die nicht bereit sind, ein Spiel zu spielen, welches den Namen eines Holocaust-Leugners trägt.“, ist eine mögliche Antwort.
IM Vincent Keymer machte auch ohne Eröffnungstheorie eine gute Figur
Bester Junior am Start und auch am Ende war wenig überraschend Vincent Keymer. Hinter dem Führungsquartett wurde die deutsche Schachhoffnung beim ersten Chess960-Turnier der Karriere Fünfter. Trotz seiner erst 12 Jahren wirkt der derzeit jüngste Bundesligaspieler erstaunlich abgeklärt und ist in allen Belangen ein Vorbild für alle anderen Jugendspieler. Und was macht ein junger Vollblut-Schachspieler zwischen den Runden, in der Pause und gleich nach dem Turnier? Na klar, er spielt Schach. Er und Donchenko ließen kaum eine Gelegenheit zum Blitzen aus, während es sich die Mama nicht nehmen ließ, am Ende sogar beim Aufräumen zu helfen. Bei diesem jungen Mann braucht man sich um die Bodenhaftung nicht zu sorgen, und mit Trainer Artur Jussupow und Manager Schmitt stehen alle Ampeln auf Grün für eine erfolgreiche Schachkarriere.
Den riesigen Wanderpokal bekam Alexander Donchenko nur kurz geliehen – den Umschlag nebst Inhalt durfte er aber behalten
v.l.n.r. IM Vincent Keymer (5.), IM Mikhail Zaitsev (4.), FM Johannes Carow (3.), GM Klaus Bischoff (2.), GM Alexander Donchenko (Sieger) & Hans-Walter Schmitt
Die Mannschaftswertung im Chess960 gewannen nun schon zum vierten Mal in Folge die Chess Tigers, allerdings hatte die Konkurrenz niemals eine reelle Chance bei den Hochkarätern im tigerlichen Team. Da bleibt nur der Aufruf an die anderen Teams, nächstes Mal auch stärkere Spieler mitzubringen.
Dass es auch 2018 eine Deutsche Chess960 Meisterschaft geben wird, gilt als nahezu sicher, allerdings ist noch offen, wo und wann. Möglich, dass der SC Waldbronn zu seinem 50. Bestehen 2018 alle Kräfte und Ressourcen mobilisieren und dann auch mit Hilfe der Chess Tigers nochmals als Ausrichter fungieren wird. So oder so, auf www.chess-tigers.de werden Sie informiert, sobald etwas spruchreif ist.