08.08.2010 - 20 Minuten + 5 Sekunden Bonus pro Zug. Das ist die Kadenz, mit der bei den Chess Classic Mainz 2010 gespielt wird. Der Reiz dieser Variante liegt im Unperfekten. Es geht weniger darum eine fehlerfreie Partie zu kreieren, als vielmehr darum die Fehler des Gegners auszunutzen. Diese kommen zwangsläufig. Je nach Spielstärke passiert das entweder im frühen Stadium, oder bei den absoluten Cracks spätestens wenn die Bedenkzeit fast aufgebraucht ist und man nur noch von der Gutschrift lebt. Dann fängt auch das große „Gehacke“ an und an vielen Brettern wird wild geblitzt. Das ist die Phase, wenn bei den Spielern das Adrenalin steigt und der Weg zu den Brettern von zahlreichen Kiebitzen versperrt bleibt. Hier die Kontrolle zu bewahren, ist die große Kunst. Die folgenden Beispiele zeigen Momente des Kontrollverlusts, entweder im frühen oder späten Stadium.
22.Lc4! Schwarz verliert
Material, da er sich um das Grundreihenmatt kümmern muss.
22...Tcd5
22...Txd1+ 23.Txd1 Td5 24.Te1!+- und auch hier droht Matt und
der Läufer hängt. 23.Txd5
De3+ 24.Kd1 Txd5+ 25.Lxd5
Lxd5 26.Te1 1–0
Schwarz hatte gerade seinen
Läufer sorglos nach a6 gespielt. Die anfällige
Stellung der Dame auf b4 lässt eine einfache Abwicklung zu.
15.dxe6 fxe6 16.Sd1!
Die schwarze Dame hat kein vernüftiges
Feld. 16...Dxe4+
16...Db3 17.Ta3+- 17.Dxe4
Sxe4 18.Lxd7 Weiß
gewinnt eine Figur. Hier erkennt man, warum 14...La6 ein Fehler war.
18...Kf7 19.Lc6 Sxd2
20.Lxa8 1-0
Beide Seiten lebten
eigentlich nur noch von ihrer Zeitgutschrift. Objektiv steht Schwarz
auf Gewinn und findet einen starken Zug, der die Fronten
klären sollte. 38...Se1!
Mit der Idee 39...Sf3+ oder 39...Sc2.
39.Lc3??
Völlig perplex von der weißen Antwort, der
Nachziehende dachte nur an 39. Kf2, verliert Schwarz die Kontrolle.
39...Sf3+??
Nach der Partie meinte ein Kiebitz: "Warum hast du nicht
mit 39...Dg2# matt gesetzt?" Freilich steht Schwarz immer noch auf
Gewinn, verhederrt sich aber vollends in dieser Endphase. 40.Kf2 Sh2?!
40...Sg5!–+ 41.Df4
h5?? Das verliert. 41...Te8! 42.Txd6
Stellung nach 42.Txd6
42...Sg4+ 43.Dxg4+! hxg4 44.Txd5 Weiß hat eine
Figur mehr und
gewann sicher. 44...b4
45.Le5 Tc8 46.Td4 f5 47.Ke3 c3 48.bxc3 bxc3
49.Td1 Tc4 50.Ld4 c2 51.Tc1 Kf7 52.Kd3 1–0
Eine kleines Meisterwerk gelang Ulrich Schwekendieck in der
fünften Runde gegen Arkadij Naiditsch. Mit dem
ehrwürdigen Königsgambit bezwang der FIDE-Meister den
besten deutschen Spieler.
1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3
g5 4.h4 g4 5.Se5 d5?! Das scheint am Brett
improvisiert. 5...Sf6 ist normal. 6.exd5
Ld6 7.d4 Sf6 8.Sc3 Sh5 9.Lb5+
Kf8
Stellung nach 9...Kf8:
10.Lxf4! Weiß startet einen vorbildlichen
Angriff mit
für diese Eröffnung typischen Motiven. 10...Sxf4
11.0–0! Sg6 12.Sxf7 Lh2+ Darauf hatte sich Schwarz vielleicht
verlassen. 13.Kxh2 Dxh4+ 14.Kg1 g3
Stellung nach 14...g3:
Schwarz droht Matt, aber Weiß ist am Zug und kann mit dem
König rauslaufen. 15.Sg5+
Kg7 16.Tf7+ Kg8 17.Sce4 Dh2+ 18.Kf1
Dh1+ 19.Ke2 Lg4+ 20.Kd3 Sf4+ 21.Kc4
Stellung nach 21.Kc4:
Ein wahrlich malerisches Bild. Gegen 22. Sf6# gibt es keine
vernünftige Verteidigung. 1–0