03.08.2009 - Nachdem sich Weltmeister Vishy Anand nicht fürs Finale der GRENKELEASING Rapid Weltmeisterschaft qualifizieren konnte, war Levon Aronian der klare Favorit im Match gegen Ian Nepomniachtchi. Tatsächlich hatte der Armenier keine Probleme, sich den Weltmeistertitel zu sichern. Ja, die größte Überraschung des Finales war vielleicht die Leichtigkeit, mit der Aronian gewann.
Im Gegensatz dazu ließ das Spiel von Weltmeister Anand seine
Fans verwundert zurück. Offensichtlich war es Anand nicht
gelungen, die schlechte Form abzulegen, die er in der Vorrunde gezeigt
hatte. Sein Spiel im Kampf um Platz drei gegen die deutsche Nummer Eins
Arkadi Naiditsch wirkte kraftlos und uninspiriert. Doch vielleicht gibt
es dafür eine einfache Erklärung. “Nun, im
Spiel um Platz drei geht es nicht um allzu viel und da ist es sehr
schwer, sich zu motivieren”, räumte Anand in der
anschließenden Pressekonferenz ein.
Gleich die erste Partie zeigte, wie schwer es Anand und Naiditsch
– der übrigens am gleichen Tag schon im Ordix Open
gespielt hatte und dort Zweiter hinter Mamedyarov geworden war
– fiel, sich zu motivieren. Anand entschied sich mit
Weiß für eine ruhige Italienische
Eröffnung, die im 26. Zug in ein farbloses Remis
mündete.
Im Gegensatz dazu wurde Aronian seiner Favoritenrolle in der ersten
Partie gegen Nepomniachtchi vollauf gerecht. Er hatte Weiß
und in einer Englischen Eröffnung gelang es ihm, positionellen
Druck in etwas Greifbares zu verwandeln, als er zwei Bauern
einkassierte. Am Tag zuvor konnte der Russe gegen Anand ein Endspiel
mit zwei Minusbauern Remis halten, aber das war ihm heute gegen Aronian
nicht vergönnt. Seine einzige Hoffnung war die Zeit. Aronian
hatte nur noch Sekunden auf der Uhr, aber 5 Sekunden Inkrement reichten
ihm, um die Partie nach Hause zu bringen.
Die zweite Runde verlief ähnlich. Naiditsch und Anand probten
eine bekannte Variante im Spanier und als alle vier Türme auf
der a-Linie getauscht wurden, schienen sie über ein Remis
nicht unglücklich zu sein.
Nepomniachtchi indes tat in der zweiten Finalpartie all das, wovor man
Anfänger warnt. Er vernachlässigte die Entwicklung,
ließ seinen König im Zentrum und rückte
sowohl seinen a- als auch seinen h-Bauern vor, weil er wohl hoffte, so
Druck auf Schwarz ausüben zu können. Aronian
ließ sich davon nicht stören, entwickelte sich in
aller Ruhe, um dann, als alle seine Figuren im Spiel waren, einen
Gegenschlag im Zentrum zu landen. Plötzlich stand
Weiß kritisch. Mit wenig Zeit auf der Uhr fand Nepomniachtchi
keine Verteidigung und fiel einem Königsangriff zum Opfer.
Nepomniachtchi-Aronian, Stellung nach 30.Kg1
Schwarz spielte 30...Sxf2 31.Kxf2 Lb6+ 32.Se3
Sxe3 33.Le5+ Kxb7 34.Df3+ Dc6 und Weiß gab auf.
Mit zwei klaren Siegen aus den ersten beiden Partien stand Aronian kurz
vor dem Matchgewinn. Tatsächlich hatte er keine Probleme, sich
den Weltmeistertitel in der dritten Partie zu sichern. Nepomniachtchi
setzte seine Hoffnungen auf die Grünfeld-Verteidigung, aber
Aronian hatte die Dinge die ganze Partie über ihm Griff und
als es schließlich zu einem Endspiel kam, in dem
Nepomniachtchi keinerlei Gewinnchancen mehr hatte, fügte sich
der Russe ins Unvermeidliche: er akzeptierte das Remis, mit dem Aronian
neuer Rapid Chess Weltmeister wurde.
Siegerehrung (von links):
Organisator Wienecke, Naiditsch, Anand,
GRENKELEASING Vertreter
Bossert, Nepomniachtchi,
der neue Weltmeister Aronian, Organisator Schmitt
Im anderen Match ließen Anand und Naiditsch auch weiterhin
keine Spannung aufkommen. Beide Seiten schienen nichts gegen ein Remis
zu haben und nach 23 Zügen war die Partie vorbei. Stand:
1.5:1.5.
Die vierte Partie zwischen Naiditsch und Aronian war jetzt eigentlich
reine Formsache. Und obwohl sie nach 25 Zügen mit Remis
endete, sahen die Zuschauer noch einmal unterhaltsames Schach. Mit 1.e4
e5 2.d4 wählte Nepomniachtchi eine ungebräuchliche
Eröffnung, was Aronian zu einem ungewöhnlichen
Turmmanöver in der Eröffnung inspirierte. Und nachdem
der Turm seine Schuldigkeit getan hatte, beschloss Aronian ihn zu
opfern. Schwarz hatte etliches Material weniger, aber die mitlaufenden
Computerprogramme störte das nicht – sie gaben
Schwarz die besseren Aussichten. Aber Aronian wollte das Schicksal
nicht herausfordern und entschied sich schließlich
für Remis durch Dauerschach. Endstand: 3-1.
Anand und Naiditsch taten sich auch in der vierten Partie nicht weh und
schnell stand das vierte Remis des Wettkampfs auf dem Brett. Damit
teilten sich die beiden Platz drei und vier – traditionell
wird in Mainz im Finale um den dritten Platz kein Tie-Break gespielt.
So muss Anand auf die nächsten Chess Classic warten, um
“seinen” Titel zurück zu gewinnen. Aronian
hätte mit Sicherheit nichts gegen ein solches Revanchematch.
Bei der Pressekonferenz meinte er: “Es macht Spaß
gegen starke Spieler zu spielen. Und Anand ist sehr stark.”
Tatsächlich stehen die Chancen nicht schlecht, dass Aronian
nächstes Jahr herausfinden könnte, wie stark Anand
ist. Bei der Siegerehrung versprach Chess Classic Organisator
Hans-Walter Schmitt Anand eine Wild Card für nächstes
Jahr – und der Weltmeister ist nicht der Einzige, der wieder
gerne zu den Chess Classic nach Mainz kommt. Um es mit den Worten des
neuen Rapid-Weltmeisters Levon Aronian zu sagen: “Dies ist
ein so wunderbares Turnier – hier spielt jeder gerne
mit.”