Chess Classic Vishy Anand verpasst erstmals das Finale in Mainz
01.08.2009 - Der elfmalige Sieger der Chess Classic, Vishy Anand, konnte nach seinem schlechten Start das Wunder nicht mehr vollbringen. Im Finale der GRENKELEASING Rapid World Championship stehen Levon Aronian und die Überraschung des Turniers, Ian Nepomniachtchi. Dem indischen Weltmeister bleibt nur das Spiel um Platz 3 gegen Arkadi Naiditsch.
Schafft er es, oder schafft er es nicht? Das war die Frage, die die
Gemüter in der vollbesetzten Rheingoldhalle bewegte.
Weltmeister Anand hatte eine denkbar schlechte Ausgangsposition. Nach
zwei Auftaktniederlagen konnte er gestern nur gegen Naiditsch gewinnen.
Seine Kontrahenten Aronian und der überraschend starke
Nepomniachtchi brachten es dagegen auf 2,5 Zähler. Einen
Rückstand von 1,5 Punkte in drei Partien aufzuholen, ist
selbst für den weltbesten Schnellschachspieler eine
große Aufgabe.
Der zweite Tag begann mit einem verhaltenen Auftakt des Inders. Gegen
Aronian geriet er in die Defensive, konnte jedoch mühsam eine
schlechtere Stellung zum Remis verteidigte. Mit einem Figurenopfer
beseitigte er im Endspiel alle verbliebenen Bauern, sodass
schließlich mit Turm gegen Turm + Springer ein theoretisches
Remis entstand.
Am Nebenbrett rehabilitierte sich die deutsche Nr. 1 für seine
schlechte Vorstellung am Vortag. Naiditsch sagte in der
Pressekonferenz, er sei nach seinen drei Niederlagen sehr
enttäuscht gewesen. Er war eigentlich in sehr guter Form nach
Mainz gekommen, konnte er doch vor einer Woche noch ein starkes
Schnellschachturnier für sich entscheiden.
Am Nachmittag hatte er sich im ORDIX Open warmgespielt, wo er im Moment
mir 5/5 Punkten führt. Zum Auftakt gegen Nepomniachtchi, gegen
den er schon in der Hinrunde eine vielversprechende Stellung hatte,
verlängerte er seine Siegesserie überzeugend. Als der
Russe seinen Monarchen im ausgehenden Mittelspiel ins Zentrum
platzierte, setzte Naiditsch zu einem taktischen Schlag an.
Stellung nach 30.Txc4
Schwarz “verteidigte” mit 30...Tbc8 31.Txc8 Txc8
aber nach 32.Lxf7 fand er sich in einer Verluststellung wieder. Danach
demonstrierte Naiditsch allerdings schlechte Technik, die die Partie
fast zum Remis verdarb.
Runde 2 hatte schon vorentscheidenden Charakter. Anand musste gegen
seinen direkten Kontrahenten gewinnen, wollte er noch eine Chance aufs
Finale haben. Mit einer selten gespielten Variante im Caro-Kann
versuchte Anand seinen jungen Gegner zu überraschen. Und
tatsächlich erhielt er eine gewisse Initiative. Im taktischen
Damenendspiel materialisierte sich sein Vorteil. Doch der trickreiche
Nepomniachtchi opferte noch zwei weitere Bauern und erreichte in einem
hoffnungslos aussehenden Damenendspiel durch Dauerschach Remis.
Stellung nach 106.De6+
Dadurch hatte der Russe 3 Zähler, Anand fand sich dagegen mit
zwei Punkten in einer fast aussichtslosen Situation.
Naiditsch baute sich gegen die „krumme“
Spanischvariante Aronians sehr gut auf und erreichte schnell Vorteil.
In gedrängter Stellung gelang es jedoch Aronian, seine Figuren
zu entknoten und einen gefährlichen Gegenangriff zu
initiieren. Plötzlich entstanden große
Komplikationen und Naiditsch verlor mehr und mehr die Kontrolle
über die Stellung. Am Ende lief er in unklarer Stellung in
eine Springergabel. Damit war Aronian vorzeitig fürs Finale
qualifiziert.
In der dritten Runde reichte den beiden Führenden Aronian und
Nepomniachtchi im direkten Aufeinandertreffen ein Remis, um den
indischen Seriensieger auszubooten. Anand war ironischer Weise auf die
Hilfe Aronians angewiesen. Der Armenier zeigte wahren Sportsgeist und
machte mit Weiß keineswegs ein Kurzremis. Aronian
drückte, verrechnete sich aber an einer Stelle und musste
schließlich im Turmendspiel mit einem Remis sehr zufrieden
sein.
Die bedeutungslos gewordene Partie zwischen Anand und Naiditsch endete
ebenfalls Unentschieden. Vishy hatte zwar einen kleinen Vorteil, der
sich allerdings bald verflüchtigte. Außerdem stand
Anand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.
Für den 11-maligen Sieger Vishy Anand ist es eines der
schlechtesten Resultate, die er je in einem Schnellschachturnier
erzielt hat. Die niedergeschlagene Stimmung während der
Pressekonferenz brachte die Enttäuschung darüber zum
Ausdruck, dass eine Ära zu Ende gegangen ist. Anand zeigte
sich als fairer Verlierer. „Ich denke, die beiden Finalisten
haben es verdient. So ist das Leben. Wenn Du schlecht spielst, wirst Du
bestraft.“
Morgen wird er um Platz 3 gegen Arkadi Naiditsch spielen. Aber alle
hoffen, dass der Mann, der mit den Chess Classic so eng verbunden ist,
wie niemand sonst, im nächsten Jahr zurückkehrt, um
sich seinen Titel zurückzuholen.
Levon Aronian tröstet einen enttäuschten Frederic
Friedel (Chessbase)
Vishy Anand gegen Levon Aronian
Erzielte 4.5 Punkte aus 6 Partien: Der Favorit Levon Aronian
Ian Nepomniachtchi gegen Arkadij Naiditsch
Können nach dem Schock schon wieder lachen: Anand,
Schmitt, Schmitt and Naiditsch