Chess Classic Anand bleibt König von Mainz Anand gewinnt GrenkeLeasing Rapid Chess World Championship mit knappem Vorsprung
19.08.2007 - Sonntag, direkt nach dem Ende des Ordix Open, das mit 762 Teilnehmern größte Schnellturnier der Welt, endeten die Chess Classic Mainz mit einem weiteren Höhepunkt: Der Grenke Leasing Rapid Chess World Championship, in dem Anand und Aronian im Finale gegeneinander antraten. Drei Tage zuvor hatten sie sich bereits im Finale der FiNet Chess960 World Championship gegenüber gesessen. Ein spannendes und aufregendes Match, aber jetzt stand sogar noch mehr auf dem Spiel: Anand wollte Revanche für seine Niederlage und zeigen, dass er immer noch der beste Schnellschachspieler der Welt ist. Außerdem gab es da noch die kommende FIDE-Weltmeisterschaft in Mexiko: Aronian und Anand zählen dort beide zu den Favoriten und wer in Mainz gewinnen würde, hätte sich einen psychologischen Vorteil gegenüber einem gefährlichen Rivalen verschafft. Gleichzeitig mussten beide darauf achten, nicht zu viel von ihrer Vorbereitung auf Mexiko zu verraten.
Sieger der GrenkeLeasing Rapid World Championship
Vielleicht war dies der Grund, warum beide äußerst
vorsichtig zu Werke gingen. In der ersten Partie wiederholten sie den Spanier,
der auch in ihrer Partie aus der Vorrunde auf dem Brett stand, aber während
Anand in dieser Partie besser gestanden hatte, holte er diesmal nichts aus der
Eröffnung und willigte bald ins Remis ein.
Anders als Anand und Aronian, konnten es Bacrot und Kasimdzhanov in ihrem Kampf um den dritten Platz locker
angehen lassen. Samstagabend saßen sie nach der Runde sogar noch zusammen beim
Essen, tranken Wein und scherzten miteinander. Wahrscheinlich beschlossen sie
hier, in ihrem Wettkampf nicht so sehr auf das Ergebnis zu achten, sondern
unterhaltsames Schach zu spielen. Genau das taten sie auch. Gleich in der
ersten Partie spielte Kasimdzhanov energisch auf
Königsangriff, aber im entscheidenden Moment fehlte ihm der Mut zu einem Opfer
auf g6, das Shirov in einem der Analyseräume für gewonnen hielt. Nachdem Kasimdzhanovs Zeitvorrat bis auf wenige Sekunden
geschrumpft war, verlor er in den entstehenden Verwicklungen die Orientierung
und übersah in einer Stellung mit einem Turm weniger den rettenden Weg zum
Dauerschach, wodurch Bacrot 1-0 in Führung ging.
In der zweiten Runde machten Bacrot und Kazimdzhanov
genau da weiter, wo sie aufgehört hatten. Gleich nach der Eröffnung fand Bacrot
eine interessante Möglichkeit, mit seinem Läuferpaar gegen die gegnerischen Springer
zu kämpfen: Kurz entschlossen opferte Bacrot beide Läufer, um zu versuchen, den
gegnerischen König Matt zu setzen, aber geriet in eine schlechtere Stellung,
als Kasimdzhanov einen Turm zurück gab, um
Schlimmeres zu verhindern. Doch im weiteren Verlauf der Partie konnte Bacrot,
der jetzt mit Turm gegen zwei Springer spielte, weiter Druck auf die schwarze
Stellung ausüben und so kam es zu einem Endspiel, in dem er alle Springergabeln
vermeiden, die meisten der noch verbliebenen Bauern tauschen und das Remis
retten konnte.
Anand gegen Aronian
Auch Aronians Läuferpaar hatte es mit zwei Springern zu tun.
Allerdings war der Armenier weniger großzügig als Bacrot und gab Anand
lediglich einen Bauern, wobei er auch noch seine Läufer behielt, die sein
materielles Defizit kompensierten. Doch als es Anand gelungen war, einen
Großteil des weißen Drucks abzuwehren und Aronian nur noch 30 Sekunden auf der
Uhr hatte – Anand hingegen sieben Minuten – sah manch einer Anand schon
gewinnen. Aber diese Hoffnung – oder Sorge – wich der Verblüffung, als sich die
Spieler plötzlich auf Remis einigten. Ein genauerer Blick auf die Stellung
verriet jedoch, dass Anand den Verlust seines Extrabauern nicht vermeiden
konnte, wonach das entstehende Endspiel hoffnungslos Remis war.
Die dritte Partie zeigte einmal mehr, wie viel Respekt Anand
und Aronian voreinander hatten und wie sorgfältig sie darauf bedacht waren, das
Risiko einer Niederlage zu vermeiden oder irgendwelche Geheimnisse zu
enthüllen. Erneut stand der Spanier, den sie bereits in der Vorrunde und in der
ersten Wettkampfpartie gespielt hatten, auf dem Brett. Aber erneut gelang es
Anand nicht, irgendetwas aus der Eröffnung zu holen – Fritz sah sogar Schwarz
leicht im Vorteil – und die Partie wurde ohne größere Aufregung Remis.
Kasimdzhanov gegen Bacrot
Also mussten Kasimdzhanov und
Bacrot für ein bisschen Unterhaltung sorgen. Dementsprechend entschied sich Bacrot
für das Marshall-Gambit, das ihm in der Vorrunde einen Sieg beschert hatte. Aber
Kasimdzhanov hatte seine Hausaufgaben gemacht und
verbesserte sein Spiel aus dieser Partie. Er konsolidierte seine Stellung allmählich,
gab den Extrabauern zurück und erhielt eine Stellung, in der sein Freibauer auf
der c-Linie ihm (sehr) gute Gewinnchancen gab. Als der c-Bauern allmählich
näher zur Grundreihe vorrückte, schien tatsächlich alles nach Plan zu laufen –
bis Schwarz plötzlich mit einem taktischen Trick aufwartete, der ihm ein Remis
zu sichern schien. Doch schließlich siegte die Gerechtigkeit, denn am Ende der von
Schwarz forcierten taktischen Variante hatte Schwarz kein Remis, sondern verlor
eine Figur und die Partie. Damit glich Kasimdzhanov den
Wettkampf aus und konnte hoffen, die vierte Partie und das Match zu gewinnen.
Aber es sollte nicht sein – obwohl beide Spieler sich Mühe
gaben, konnte keiner gewinnen. Einmal mehr trat das Läuferpaar gegen die
Springer an, aber weder die eine noch die andere Seite kam in Vorteil und
nachdem die meisten Figuren abgetauscht waren, einigten sich die Spieler auf
Remis. Da die Organisatoren beschlossen hatten, auf den Tie-Break zu
verzichten, teilten sich Kasimdzhanov und Bacrot Platz
drei.
Unterdessen begann die vierte und entscheidende Partie
zwischen Anand und Aronian verhalten, endete aber dramatisch. Anand spielte mit
Schwarz und konnte nach der Eröffnung problemlos ausgleichen. Es kam zu einer
Stellung, die weder der einen noch der anderen Seite viele Möglichkeiten bot. Aber
ob er nun nervös oder müde war, in jedem Fall geriet Aronian allmählich ins
Hintertreffen. Seine Stellung wurde immer schlechter und er verbrauchte
deutlich mehr Bedenkzeit als Anand. Plötzlich war auch seine einzige wirkliche
Schwäche, der Bauer auf a3, in ernsthafter Gefahr und als er fiel, schien Anand
auf dem besten Wege zu sein, seinen Schnellschachweltmeistertitel zu
verteidigen. Und obwohl Aronian in etlichen der vorherigen Partien im Turnier
bemerkenswerte Fähigkeiten bewiesen hatte, schlechte Stellungen zu retten, gab
es diesmal kein Entkommen. Anand verwandelte seinen Vorteil souverän in einen
ganzen Punkt und gewann das zehnte Mal in Mainz.
Aber es war Aronian, der bei der Siegerehrung die richtigen
Worte zum Abschluss des größten Schnellschachturniers der Welt fand: “Es war
ein großartiges Turnier und ein Vergnügen hier zu sein. Auf Wiedersehen im
nächsten Jahr.”