Chess Classic Alle Rekorde im Ordix Open gebrochen 632 Teilnehmer im weltweit größten Schnellschach-Wettbewerb
19.08.2006 - Rekorde, Rekorde, Rekorde: Zwar schrammen die Chess Classic Mainz noch knapp an 1.000 Spielern in allen Wettbewerben vorbei – 2007 dürfte aber auch diese Marke in der Rheingoldhalle geknackt werden. Diesmal nahmen – alle Anmeldungen von den Weltmeisterschaften über die Open, die Computer-WM bis zu den Simultans zusammengezählt – 976 Spieler teil! Nach Zählweise von Organisator Hans-Walter Schmitt, der die Weltmeisterschafts-Duelle aussparte und eine Abmeldung während des FiNet Open nicht mitrechnete, kam seine Lieblingszahl heraus: 960! Passend zu Chess960 …
Eindeutig sind im Ordix Open die neuen Höchstleistungen: Die Teilnehmerzahl kletterte um rund 20 Prozent auf 632! Mehr als ein Viertel davon, exakt 177, sind Titelträger des Schach-Weltverbandes FIDE. 58 tragen den Herren-Großmeister-Titel, zehn sind Großmeisterinnen. Internationale Meister (IM) gehen 44 an den Start, weibliche IM sind neun vor Ort. Zudem versuchen 51 FIDE-Meister (FM) und fünf weibliche FM ihr Glück im größten Schnellschach-Open der Welt. Im Vorjahr hatten 139 Titelträger (davon 52 Großmeister) in Mainz teilgenommen.
Sensationen bleiben in solch einem großen Feld natürlich nicht aus. Überstanden die meisten an den vorderen Brettern den Auftakt ungeschoren, übernahm der an Nummer fünf gesetzte Jewgeni Barejew, der zu Glanzzeiten diese Position auch in der Weltrangliste einnahm, die Rolle als erstes Opfer. Der Sekundant von Weltmeister Wladimir Kramnik zog gegen Christoph Pfrommer von den Karlsruher Schachfreunden den Kürzeren. Der FM setzte ihn im Endspiel mit Turm und Läufer (sowie zwei gegen einen Bauern) matt und bekam dafür vom Publikum viel Applaus. Zu den weiteren Überraschungen zählte auch das Remis von Günther Tammert (Caissa-Rochade Kuppenheim) gegen Lev Gutman, der sich nach dem unerwarteten Ergebnis recht ungehalten gab. „Das kennt man von ihm“, kommentierte Tammert gelassen. Weniger erfreut zeigte er sich dann allerdings darüber, dass noch zwei weitere Großmeister auf ihn warteten – im Ordix Open ist aber normal, gewinnt man ein paar Partien …
Dirk Poldauf vs. Etienne Bacrot
Gleich deren fünf hintereinander verbuchten neun Großmeister: Schachrijar Mamedjarow (Aserbaidschan), Pentala Harikrishna (Indien), Alexander Morosewitsch (Russland) Ex-Weltmeister Rustam Kasimdschanow (Usbekistan), Alexej Alexsandrow (Weißrussland), Goran Dizdar (Kroatien), Gabriel Sargissjan (Armenien), Zoltan Gymesi (Ungarn) und Daniel Fridman. Der Lette schlug in der letzten Runde des ersten Tages FiNet-Open-Champion Etienne Bacrot. Noch schlimmer kam es für Mitfavorit Alexej Schirow. Der Wahl-Spanier unterlag in der vierten Runde dem Mörlenbacher IM Witali Kunin, danach kam er gegen den Solinger IM Markus Schäfer, mit 2358 Elo nur die Nummer 119 der Setzliste, nicht über ein Remis hinaus.
Für Mamedjarow ist ein erster perfekter Tag nichts Ungewöhnliches in Mainz. Schon im FiNet Chess960 Open legte der 21-jährige Weltranglistenzwölfte los wie die Feuerwehr und baute die Serie sogar bis auf 8/8 aus. Mehr Mühe hatte Morosewitsch. Der Topgesetzte stand gegen Jewgeni Agrest mit einer Minusqualität kritisch. Der Schwede verschmähte eine Punkteteilung und geriet in ein Endspiel Turm und Läufer gegen Turm – im Schnellschach eine äußerst unangenehme Stellung. Morosewitsch sicherte sich damit auch den vollen Punkt. In der sechsten Runde trifft der Weltranglistenneunte nun auf Kasimdschanow. Dizdar stoppte Arkadij Naiditsch. Die deutsche Nummer eins von Bindlach Aktionär liegt damit hinter mehreren Einheimischen, die bei 4,5 Zählern stehen: Etwa Chess-Classic-Kommentator Fabian Döttling (OSC Baden-Baden), der den starken Ukrainer Andrej Wolokitin nicht über ein Remis hinauskommen ließ. Für weitere Überraschungen sorgten der Schönecker FM Horst Alber mit dem Erfolg über Rainer Buhmann (Hockenheim) und der Neckargemünder Volker Jakob (2280), der Gutman in die Knie zwang. 15 Spieler haben 4,5 Zähler. Am meisten muss von diesen sicher Alexander Grischuk beachtet werden. Der Russe gewann das Ordix Open bereits zweimal.
Organisator Hans-Walter Schmitt am Brett mit Arianne Caoili
Extra-Schichten schob in den Pausen Arianne Caoili: Die australische Nationalspielerin stand einem Kölner Drehteam zur Verfügung. Die adrette Filipina spielte vor der vierten und fünften Runde gegen Organisator Hans-Walter Schmitt und die deutsche Topspielerin Elisabeth Pähtz zu Show-Zwecken freie Partien. Das australische Fernsehen will nicht über „Gormallygate“ berichten. Bei der Olympiade in Turin erlangte die bei Oberursel gemeldeten Grazie Berühmtheit: Der englische Großmeister David Gormally hatte Levon Aronjan angegriffen, als dieser bei der Bermuda-Party mit Caoili tanzte. Die Australierin war indes mit Naiditsch zu dem Spielerabend gekommen. „Im Nachhinein hat’s doch den Richtigen getroffen“, kommentierte eine Großmeisterin, nachdem Caoili zuletzt häufiger mit Aronjan als Naiditsch gesehen worden sei. Das australische Fernsehen interessiert sich indes weniger für irgendein Techtelmechtel. Caoili, die von einer Gesangskarriere träumt, tritt im Herbst in der zweiten Staffel von „Dancing with the stars“ an. Das ist das Pendant zu der Tanz-Show, bei der Heide Simonis hier zu Lande in die Schlagzeilen geraten war. Caoili gilt als heiße Sieganwärterin, glaubt man den australischen Produzenten, die im Vorfeld Kontakt mit den Organisatoren der Chess Classic Mainz aufgenommen hatten. Die 19-Jährige besiegte in der fünften Runde den an 417 gesetzten Frankenthaler Peter Dorner aus verlorener Position heraus. Die an Position 268 notierte Caoili, die 2169 Elo hat, weist nach dem ersten Tag im Ordix Open drei Punkte auf.