Chess Classic Die Gäng von Asser-Baidschäng Werden die Baku-Boys in Mainz für Aufsehen sorgen?
30.07.2006 - Sie gelten als die grossen Hoffnungsträger des Schachs in der ehemaligen Sowjetrepublik, der jetzt unabhängigen Präsidialrepublik Aserbaidschan. Beide haben fast identische Entwicklungen in ihrer Schach-Karriere durchlaufen, doch die Unterschiede zwischen den beiden aktuellen Repräsenten des Schachs aus Aserbaidschan könnten nicht grösser sein. Die Rede ist vom jugendlichen Überflieger Teimour Radjabov und dem ausserhalb der Schachexperten-Zirkel eher weniger bekannten Shakhriyar Mamedyarov.
Die Gemeinsamkeiten der beiden Großmeister eignen sich gut für die
Kurzdarstellung in der dem Oberflächlichen verschriebenen Medien:
Shakhriyar Mamedyarov
Geboren 1985
Aserbaidschan
Großmeister
Aktuelle ELO Zahl 2722
Aktuelle Weltranglistenposition: 13
Aktuelle Rangliste Aserbaidschan: 2
Teimour Radjabov
Geboren 1987
Aserbaidschan
Großmeister
Aktuelle ELO-Zahl 2728
Großmeister
Aktuelle Weltranglistenposition: 12
Aktuelle Rangliste Aserbaidschan: 1
Beide Großmeister haben eine steile und rasante Entwicklung ihrer
Spielstärke erzielt, heute trennen die beiden Azeri lediglich
läppische 6 ELO-Pünktchen, die sind aber genug, um Mamedyarov auf den
zweiten Platz der nationalen Rangliste zu verweisen.
Darüberhinaus stammen beide aus Baku bzw. deren unmittelbaren
Nachbarschaft, damit werden sie automatisch mit dem großen Sohn der Stadt Baku,
dem zurückgetretenen und lebenden Übervater aller derzeit aktiven Schachspieler, Garri Kasparov, in Verbindung gebracht.
Übervater Kasparov
Anand, Bacrot, Svidler, Topalov
Glücklicherweise sind die beiden Jungstars der Schachszene in
Aserbaidschan noch keinem Hollywood Casting Agent in die Hände gefallen,
denn ohne grosse Schwierigkeiten könnten die Großmeister auch eine Rolle
in einem James-Bond-Film ergattern. Der smarte Radjabov käme wohl eher
für ein Engagement als Agent 007 in Frage,
Shakhriyar Mamedyarov könnte mit seiner markanten Physignomie und blond
gefärbten Haaren problemlos
ins Charakterfach der Bösewichte wechseln.
Damit sind auch schon die wesentlichen Gemeinsamkeiten erschöpfend
behandelt. Wenden wir uns also den besonderen Merkmalen der Beiden zu.
Teimour Radjabov hatte als junger Großmeister keinerlei
Respekt vor Landsmann und Übervater Kasparov gezeigt, als er beim
denkwürdigen Turnier in Linares im Jahre 2003 den amtierenden 13.
Weltmeister schlug, zu allem Überdruß noch mit den schwarzen Steinen.
Als dann die anwesenden Journalisten sich erdreisteten, eben diese
denkwürdige Partie mit dem "Schönheitspreis" zu küren, war es für den
emotionalen Kasparov einfach zu viel - wütend verliess er die
Pressekonferenz. Radjabov gewann im zarten Alter von 12 Jahren den Titel
bei den Jugend-Europameisterschaften der U18. Seine glänzende Karriere
bescherte ihm aufsehenerregende Siege gegen Ruslan Ponomariov, Judit
Polgar oder den amtierenten Weltmeister Vesselin Topalov,
Im Gegensatz zu Radjabov steht der zwei Jahre ältere
Shakhriyar Mamedyarov nicht so sehr im Rampenlicht der Öffentlichkeit -
doch seine Schachkarriere zeigt stetig aufwärts und brachte ihn auf den
aktuellen 13. Platz der FIDE-Weltrangliste. Sein Können am Brett stellte
er erst jüngst als Co-Gewinner beim prestigeträchtigen Aeroflot Open in
Moskau unter Beweis. Zuvor gewann er den Junioren-Weltmeistertitel im
Jahre 2003 und wieder in 2005, diesmal mit einer unglaublich starken
Performance von 2953 ELO. Ganz Wohl fühlt sich Mamedyarov im
Familienkreis, seine beiden Schwestern Zeinab und Turkan sind ebenfalls
etablierte Titelträgerinnen in den Damenwertungen.
Zeinab
Shakhriyar
Turkan
Bei den Chess Classic Mainz wird es in diesem Jahr zu
keinem Aufeinandertreffen der Gang aus Aserbaidschan kommen. Der
letztjährige ORDIX Open-Gewinner Radjabow ist auserkoren, in einem
8-Partien Schnellschach-Duell gegen den Mainzer Seriengewinner und
Nummer 2 der Weltrangliste im langsamen Schach, GM Viswanathan Anand
anzutreten.
Überhaupt hat Radjabov schon einige Opfer unter der
Weltelite des Schachs in seiner Trophäen-Sammlung. Daß Radjabow keine Angst vor
großen Tigern hat, bewies er einst in Dortmund. Im Jahr 2003 gelang
ihm dort ein vielbeachteter Sieg über den indischen Spitzenspieler
Viswanathan Anand, den er in einer Sizilianischen Partie mit einem
sehenswerten Damenopfer im 22. Zug einleitete. Doch dies sollte
Radjabovs einziger Sieg in ihren bisherigen 10 Begegnungen bleiben. So
ist für Spannung gesorgt, wenn die beiden Kontrahenten in Anands
Spezialdisziplin, dem 25min./10sec. Schnellschach aufeinandertreffen.
Sicher ist auch, daß der andere "Boy from Baku", Shakhriyar
Mamedyarov, nicht auf seinen Landsmann Radjabov am Brett trifft, denn
Mamedyarov hat im ORDIX Open gemeldet und ist dort im engeren Kreis der
ELO-Favoriten zu sehen, zusammen mit keinem geringeren als Alexander
Morozevich, dem russischen GM und Weltranglisten-Neunten. Beiden
Spielern wird nachgesagt, daß sie ohne Scheu auch eher selten gespielte
Eröffnungen aufs Brett zaubern. So bringt Morozevich schon einmal
Abwechslung ins ewige Einerlei, wenn er Robatsch, Reti oder das
Albin-Gegen-Gambit spielt. Und Mamedyarov wählt schon mal Englisch,
Französisch, Holländisch oder Schottisch aus seinem Eröffnungs-Repertoire aus.
Blick auf Baku,
die Schwester-Stadt von Mainz
Falls der Schirmherr der Chess Classic Mainz, Oberbürgermeister Jens
Beutel, seinen wohlverdienten Urlaub und seine aktive Teilnahme an den
Open-Wettbewerben unterbrechen möchte, könnte er auch ein Amtsgeschäft der angenehmeren Art einschieben. Die Hauptstadt von
Aserbaidschan, Baku, ist Schwesterstadt von Mainz - und somit würde sich
ein kleiner Empfang für die Baku-Boys als Schach-Botschafter Bakus anbieten:
im Rathaus mit Eintrag ins Goldene Buch, im Gutenberg-Museum als
einem der vielen historischen Plätze der alten Römergründung oder
zumindest anlässlich des Champions Dinner im Hilton Hotel am Vorabend der Chess Classic
Wettbewerbe.