Chess Classic Grischuk rochiert erfolgreich ins Ordix Open Rekord mit 546 Teilnehmern
13.08.2005 - Mancher Zuschauer und Spieler hat am Samstagmittag seinen Augen nicht getraut: Saß da am vierten Brett des Ordix Open nicht Alexander Grischuk? Sicher, der Russe hatte in den Vorjahren zweimal das weltbeste Schnellschach-Turnier gewonnen. Doch dadurch hatte sich der 21-Jährige für die WM gegen Viswanathan Anand qualifiziert und traf an den Abenden auf den indischen Weltranglistenersten. Eigentlich konnte die Rochade vom Haupt- zum Vorkampf nicht sein. Es gab aber keinen Zweifel mehr, als Grischuk seinen ersten Zug aufs Brett setzte: Der Weltranglistenelfte war wieder im Ordix Open dabei. Den Grund konnte jeder gleich ausmachen: Grischuk wirkte verunsichert, nachdem er mehrfach aussichtsreiche Stellungen gegen Anand in Zeitnot verpatzt hatte.
Alexander Grischuk startet überraschen im Ordix Open
Selbst gegen Reinhold Müller,
einen jungen 14-jährigen Burschen mit einer Ratingzahl von
2134, geriet er in
Schwierigkeiten. Unter den wachsamen Augen des „Tigers von
Madras“, der in der
ersten Runde den 546 Teilnehmern seine Aufwartung machte, bot
Müller eine
grandiose Leistung. 127 Züge lang hielt der
Saarbrücker durch. Erst im ausgeglichenen
Turmendspiel verlor der Außenseiter die Übersicht
und verdarb bei knapper
Bedenkzeit die Remis-Stellung. Beide Seiten hatten noch je einen Turm,
der
russische Herausforderer von Anand in der GrenkeLeasing Championship
zusätzlich
noch den h-Bauern. Da der weiße König aber nicht
weit genug abgeschnitten
stand, hätte es zum Unentschieden reichen müssen -
doch dem Saarländer ging es
wie Grischuk bei der Schnellschach-WM: Mitt nur noch wenigen Sekunden
auf der
Uhr versagten die Nerven.
Der 14-jährige Reinhold Müller bereitete dem
Anand-Herausforderer arge Probleme
Anschließend spielte sich
Grischuk aber wieder in bekannte Ordix-Form: Der Freund von
Großmeisterin
Natalia Zhukova räumte die nächsten Kontrahenten
leichter aus dem Weg.
Allerdings musste Grischuk auch gegen Schnellschach-Europameister Artur
Jussupow in der fünften Runde am längsten
kämpfen, ehe die Idealpunktzahl nach
dem ersten Tag auf seinem Konto war. Eine hübsche
Mattkonstruktion bei
beidseitig verbliebenen 22 Sekunden gab den Ausschlag. Sechs weitere
Akteure
stehen außerdem mit makelloser Bilanz zu Buche: Die beiden
Jungstars aus
Aserbaidschan und Deutschland, Teimour Radjabow und Dortmund-Gewinner
Arkadij
Naiditsch, Alexander Morosewitsch, Chess960-Ass Levon Aronjan, der
Katernberger
Igor Glek und der stärkste titellose Teilnehmer, Rainer
Buhmann. Der
Bundesligaspieler vom OSC Baden-Baden ist jedoch kein unbeschriebenes
Blatt,
verzichtete aber bisher auf FM- wie IM-Titel. Mit 2549 Elo sollte auf
die
bisher einzige GM-Norm auch bald der Großmeister-Titel
folgen. Im fünften
Durchgang hielt Buhmann die indische Nummer drei Pentela Harikrishna
nieder.
Dem glänzenden Start maßen Naiditsch und Glek keine
sonderliche Bedeutung bei.
„Bisher habe ich alles locker gewonnen. Morgen kann aber
alles passieren. Die
Konkurrenz ist groß“, befand der
19-jährige Naiditsch vom TSV Bindlach
Aktionär. Die Teilnahme von Grischuk
„überraschte“ den Dortmund-Bezwinger
natürlich wie alle anderen. „Vielleicht will er sich
ja wieder für das Match
gegen Anand qualifizieren“, sagte Naiditsch augenzwinkernd.
Glek verwies
darauf, dass sich „erst in den letzten drei Runden alles im
Ordix Open
entscheiden wird. Verlierst du die letzte Runde, bist du
weg“, weiß der
ehemalige Top-Ten-Spieler, der in seiner letzten Samstag-Partie Alexej
Schirow unerwartet
gut und leicht im Griff hatte.
Zehn Spieler befinden sich mit
4,5 Punkten in Reichweite des Führungsseptetts: Wadim
Swagintsew, Michal
Krasenkow, Rustem Dautov, Alexej Drejew, Alexandra Kostenjuk, Merab
Gagunaschwili, der ukrainische IM Sascha Beleski, der topgesetzte
Etienne
Bacrot und Jörg Hickl, die gegeneinander remisierten, Robert
Ruck und der
Baden-Badener Fabian Döttling. Kostenjuk freute sich nicht nur
über eine
Punkteteilung gegen Swagintsew in ihrer letzten Partie des Abends,
sondern vor allem
über den Sieg in Runde vier: In
dieser schlug die russische Meisterin Ivan Sokolov. Eine besondere
Genugtuung,
berichtete Kostenjuk und strahlte dabei glücklich. Im Chess960
stand die ehemalige
Europameisterin schon gegen den Wahl-Niederländer auf Gewinn,
nahm jedoch nicht
einen einstehenden Turm und ließ sich beschwindeln. Heute
gelang Kostenjuk
dafür die Revanche. In der Damenwertung liegen ihre
Großmeister-Kolleginnen
Zhukova, Maia Tschiburdanidse und Joanna Dworakowska einen halben
Zähler
zurück. Weltmeisterin Antoaneta Stefanowa steht bei lediglich
3,5 Punkten.
Überraschungen
gab es bei der neuen Rekordzahl von 546 Teilnehmern – ein
minimales Plus von vier Spielern gegenüber dem Vorjahr
– natürlich zuhauf. So
musste beispielsweise der frisch gebackene Europameister Livi-Dieter
Nisipeanu
in Runde zwei gegen den Karlsruher Zweitligaspieler Christoph Pfrommer
mit
einem Remis zufrieden sein. Danach schieden sich jedoch ihre Wege.
Nisipeanu
steht inzwischen bei vier Zählern. Insgesamt sind 139
Titelträger am Start,
darunter 55 Großmeister (inklusive drei Frauen mit
Herren-GM-Titel), 33
Internationale Meister (ebenso mit drei Damen) und vier
Frauen-Großmeister. Der
Rating-Durchschnitt aller Teilnehmer liegt bei exakt 2100.