Chess Classic Weltklasse führt – Außenseiter verschaffen sich Achtung Zur Halbzeit im FiNet Chess960 sieht man- trotz einiger Überraschungen - bekannte Gesichter an die Spitze
12.08.2005 - Abgesehen von einigen Achtungserfolgen der Amateurspieler, ereigneten sich in den ersten fünf Runden des elfrundigen FiNet Chess960 Opens 2005 kaum spektakuläre Favoritenstürze. Viele Spieler stellten in ihrer ersten Tagesbilanz fest, dass die meisten Partien irgendwann in üblichen Normalschachstrukturen mündeten. Entsprechend setzten sich auf den ersten 30 Plätzen der Halbzeittabelle ausschließlich Großmeister fest. Gegenüber dem Vorjahr meldete sich exakt die gleiche Zahl von 207 Teilnehmern an! Verlustpunktfrei marschieren Ivan Sokolov und Alexei Shirov vorneweg. Mit einem halben Verlustpunkt lauern fünf Spieler auf ihre Chance: Levon Aronjan, Mihal Krasenkow, Etienne Bacrot, Rafael Waganjan und Alexander Graf. Spannung ist für den zweiten Tag vorprogrammiert.
Das Verfolgerfeld umfasst 24 Spieler mit vier Punkten, darunter vier Frauen, die im
Normalschach alle
den Herren-Großmeistertitel tragen und sich Hoffnung auf die
von Organisator
Hans-Walter Schmitt angekündigte Neuerung eines
Frauen-Zweikampfs im Jahr 2006
machen dürfen. Überhaupt ist der Anteil weiblicher
Spieler mit 17% erfreulich
hoch. Ex-Weltmeisterin Maja Tschiburdanize gehört zum
Vier-Punkte-Feld. Die
44-Jährige hatte in der dritten Runde gegen den aktuellen
Europameister
Dieter-Liviu Nisipeanu zunächst einen vollen Punkt in der
Resultatliste stehen,
doch dann einigte sich die Georgierin mit dem Rumänen auf eine
Punkteteilung,
nachdem festgestellt wurde, dass sie eine falsche Rochade
ausgeführt hatte (der
Turm schlug bei diesem Manöver regelwidrig eine Figur!) und
einer der
Schiedsrichter die Schachregel falsch auslegte.
Mit im Frauenpulk
kämpft auch
Ex-Euopameisterin Alexandra Kosteniuk, die nur gegen Spitzenreiter
Sokolov
unterlag: „Überall bekam ich mehr oder weniger
schachtypische Stellungen, nur
der Niederländer spielte seltsam, indem er alle Bauern
aggressiv vorschob,“
meinte die aktuelle russische Landesmeisterin mit einem
Lächeln. Außerdem
befinden sich in dieser Gruppe die bulgarische Weltmeisterin Antoaneta
Stefanova, die in Runde zwei einen halben Punkt gegen den Bergheimer
Andreas
Liebergesell (Elo 2232) liegen ließ, und Alexander Grischuks
Lebensabschnittsgefährtin Natalia Zhukova, die 1999 erste
Fraueneuropameisterin
wurde.
An vielen Bretter gibt es bei dieser innovativen
Form des Schachsports viel Klasse zu bestaunen: 48
Großmeister, 20
Internationale Meister und 16 FIDE-Meister sind am Start. Vielleicht
wären es
noch mehr geworden, wäre bekannt geworden, dass Schmitt auch
für die Kategorien
Senioren und Jugend U14 und U20 im kommenden Jahr Zweikämpfe
plant und das
FiNet-Open als Qualifikationsturnier gilt. Im Seniorenbereich kommen
Schachlegenden wie Wolfgang Uhlmann, Lajos Portisch oder Vlastimil Hort
in die
enger Wahl. Während der Dresdner Uhlmann dem russischen
Weltklassespieler Vadim
Swaginsew (Elo 2659) ein Remis abtrotzte, unterlag der beliebte
Fernseh-Schachmoderator Hort in der vierten Runde der ungarischen
U16-Meisterin
Maria Ignacz (Elo 2265). „Es war eine komplexe Stellung und
mein Gegner
schlitterte in Zeitnot,“ resümiert seine junge
Gegnerin aus Budapest. Dem
Jugendbereich gehört auch der Hannoveraner Nikolaus
Nüsken an, der momentan
drei Punkte auf seinem Konto aufweist und u.a. gegen Portisch und
Stefanova
remisierte. Für Überraschungen sorgten aus deutscher
Sicht IM Günther Beikert,
der sich mit Alexei Drejew friedlich einigte, FM Josef Gheng, der
Dautov eine
Punkteteilung abrang, und Jürgen Gersinka, der GM Bogdan Lalic
sogar bezwang.
„Keine Schwächen schaffen und Dynamik
anstreben“, lautete das Motto des
Ehemanns der ebenfalls mitspielenden deutschen Nationalspielerin Ketino
Kachiani Gersinska (aktuell bei drei Punkten). Trotzdem glaubt der
Chess960-Debütant, „dass sich in der Regel der
Spieler mit dem besseren
Spielverständnis eigentlich durchsetzen
müsste“. „Aber Lalic spielte
unverständlicherweise ziemlich schnell“,
fügte der frühere Vereinsvorsitzende
des deutschen Top-Club OSC Baden-Baden hinzu.
Für
den zweiten Tag kann also mit allerlei Verwicklungen gerechnet
werden. Nicht immer geht es so einfach, wie in der ersten Runde bei dem
Berliner Oberliga-Spieler Michael Schulz, der nach fünf
Zügen einen Turm und
zwei Figuren mehr hatte! In der Stellung S_D_T_K_L_L_T_S (von der a-
zur
h-Linie gesehen) blockierte der Schwarzspieler unvorsichtigerweise
nicht den
Zutritt nach h7, indem er Bauer oder Springer nach g6 stellte. Es
folgte 1.c4
e5 2.Dh7 b5 3.Dg8 b4 4.Df8 Db6 5.Dh8 und Weiß gewann
irgendwann .... Es bleibt
abzuwarten, wer am Ende die wenigsten Unfälle bilanziert.