Chess Classic Schnellschach im Schneckentempo - Gäste des Gourmet Club erleben Duell Anand - Grischuk hautnah.
13.08.2005 - Gegensätzlicher hätte die Situation nicht sein können: Super-GM Vishy Anand trat im dritten Spiel des Duells um die Schnellschachkrone gegen seinen Herausforderer GM Alexander Grischuk an. Die Partie wurde mit dem Damenbauern-Zug von d2 nach d4 eröffnet und damit konnte auch jede Assoziation des Gourmet-Club-Themas "Spanischer Abend" und die Verbindung der "Spanischen Partie" oder "Ruy Lopez" genannt - endgültig ad acta gelegt werden.
Gourmet-Club: FiNet-Sponsor-Abend
Doch die Gäste des FiNet-Sponsors im Goldsaal des Hilton Hotel Mainz konnten sich dennoch
freuen. Einmal über die spanisch inspirierte Speisenfolge appetitlicher
Tapas, andererseits über die kompetente Kommentierung von keinem
geringeren als GM Eric Lobron. Lobron kommt zwar von der "falschen"
Seite des Rheins aus Wiesbaden, aber dies nahmen die Gäste der Chess
Classic Mainz nicht so
genau.
Nach dem Eröffnungszug entwickelte sich zwischen
Anand und Grischuk ein Spiel der
Gegensätze: Schnell wurde die Theorie-Eröffnung heruntergespult, da
beide Spieler sich an ihre vorbereiteten Eröffnungen hielten.
Dann
stockte nach dem 15. Zug von Weiß plötzlich der Spielfluß. Grischuk
dachte nahezu sieben Minuten über seinen nächsten Zug nach, im Schnellschach
fast eine Ewigkeit. Dann opferte er anscheinend mit 15. ...Nexg4 einen
Springer - doch beim zweiten Hinsehen entpuppte sich dieser Zug wie das
Öffnen der Box der Medusa.
Marketing-Mann, Manager, Matador und Maskottchen: Das Konterfei zum
"Spanischen Abend" im Courmet Club
Zeichnung: Fränk Stiefel
Heraus kam das wahrhaftige Ungeheuer eines
Schlangenkopfes. Nach seinem Zug
demonstrierte der junge Russe, daß er auch die Psycho-Chuzpe der Schachgrössen beherrscht. Er stand ganz entspannt vom Brett auf,
schlenderte auf die andere Seite der Bühne und verfolgte interessiert
die Chess960-Partie zwischen Weltmeister Peter Svidler und dem Ungarn
Zoltan Almasi, gerade so, als ob er in einer Schnellschachpartie jede Zeit der Welt hätte und seine
Partie gegen Anand eigentlich in trockenen Tüchern
war.
GM Eric Lobron kommentiert live für die Gäste des Gourmet Club
Vishy Anand demonstrierte nun unfreiwillig,
worauf Kommentator Eric Lobron immer hin gewiesen hatte: "Wenn im
Schnellschach in der Eröffnungsphase ein Spieler länger als ein paar
Sekunden nachdenken muß, ist das ein Beweis, daß die vorbereitete
Variante mit einem überraschenden Zug des Gegners zunichte gemacht wurde
und fortan improvisiert werden muß."
Die Zuschauer im Gourmet-Club und der
angrenzenden Rheingoldhalle hielten den Atem an. Wann hatten sie zuletzt
ihr Idol Anand in solchen Schwierigkeiten gesehen? Anand kam ins
Grübeln, rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und dachte über 8
Minuten nach, wie er diesem "Zug der Medusa" entgegnen konnte.
Jetzt kam
der indische Blitzdenker zum ersten mal in
Zeitnot. Wann hatte es dies zuletzt gegeben, das Anand in einer
Schnellschachpartie in Zeitrückstand kam? Die digitale DGT-Uhr tickte
ohne Erbarmen weiter - es war Schnellschach im Schneckentempo.
Gäste im Gourmet-Club
Doch dann explodierte das Brett. Anand bewies
wieder einmal mehr, weshalb er "Tiger von Madras" genannt wurde. Im
Sekunden-Tempo führte er mit seinem Kontrahenten einen Schlagabtausch wie
Jiu-Jitsu-Kämpfer. Für einen Bruchteil von Sekunden erweckte es den
Anschein, daß Anand seine Dame verloren hätte, doch einen Wimpernschlag
später stand auch Grischuk ohne seine wertvollste Figur da.
Wie ein
Uhrwerk spielten die Kontrahenten nun die Partie zu Ende, im 24. Zug
hatten sie eine Remis-Stellung erreicht. Grischuk hatte zunächst den
Durchmarsch des Mainzer Seriensiegers Anand verhindert. Zwischenstand
2.5 zu 0.5 für Anand.